Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

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Jaroslau bereits eine gute Grundlage für die spätere Offensive 
geschaffen war. Vor allem war aber die Ruhepause nötig, 
um den Nachschub sicherzustellen und der schweren Artillerie 
das Nachkommen zu ermöglichen. Die Russen hatten hinter 
sich jede Brücke zerstört, alle Bahnen gründlich unbrauchbar 
gemacht. Dem Marsch der Truppen bereitete dies wenig 
Verzögerung, wohl aber konnten die Trains, die schweren 
Geschütze und Munitionskolonnen erst folgen, als an Stelle 
der leichten Notbrücken verläßliche Übergänge hergestellt 
waren. Ohne schwere Artillerie war ein Angriff auf Przemysl 
undurchführbar, aber auch bei Bekämpfung der starken 
Verteidigungsstellungen der russischen Feldarmee konnte 
man ihrer nicht entraten. 
Die nächste Aktion richtete sich gegen den Brückenkopf 
von Sieniawa, der trotz feindlicher Gegenangriffe am 18. 
und iy. Mai erobert wurde. Er lag im Kampfgebiet des 
rechten Flügels der Armee des Erzherzogs Josef 
Ferdinand und die Hauptlast des Kampfes trug abermals 
das wackere Edelweißkorps. Vergeblich versuchten die Russen, 
das Verlorene wieder zu gewinnen, indem sie mit auf dem 
Ostufer des San herangeführten Teilen der Besatzung von 
Przemysl gegen den Südflügel der Armee Mackensen 
vorstießen. Der Angriff wurde leicht abgewiesen. Auch aus 
Nisko war schon am i8. eine Kolonne gegen den rechten 
Flügel der 4. Armee vorgegangen, die zwar abgewiesen 
wurde, am folgenden Tage aber mit Verstärkungen zurück- 
kehrte, womit sich der Übergang russischer Truppen über 
den San in der Gegend von Lezajsk verband. Die über 
den San gelangten Truppen mußten vor dem Gegen-- 
stoß der z. Infanteriedivision bald zurückweichen. Dagegen 
entspann sich ein heftiger Kampf mit der Gruppe von Nisko, 
die bis Rudnik vorgedrungen war und erst nach erbittertem 
Ringen um Ort und Schloß von der 8. Infanteriedivision 
zum Rückzug genötigt werden konnte. 
Auch an den Fronten der z., 2. und Südarmee, 
die dem Feind dicht gegenüber lagen, kam es neben 
Kanonaden zu einzelnen Kämpfen, die sich bald aus Gegen- 
angriffen der Russen, bald aus dem Bestreben der Ver-- 
bündeten, sich einzelner Stützpunkte zu versichern, entwickelten. 
So erstürmten Truppen des Korps S zur map am 20. 
eine starke russische Stellung und eine in Verteidigungsstand 
gesetzte Ortschaft östlich Drohobycz, wobei 1800 Gefangene 
gemacht wurden. Am 22. begegnete der rechte Flügel der 
2. Armee einem russischen Vorstoß durch einen gelungenen 
Gegenangriff. Auch der Ring um die West- und Südfront 
der Festung schob sich allmählich heran. Doch kam diesen 
Gefechtshandlungen keine allzu große Bedeutung zu. 
Während dieser Vorgänge auf dem Hauptkampffelde 
war es auch nördlich der Weichsel ziemlich lebendig. Die 
seitens der 1. Armee eingeleitete Verfolgung, an der 
sich am 12. auch die nördlich anschließende Armeegruppe 
Woyrsch und am 14. die bisher an der Pilica aufgestellte 
Armeegruppe des GdJ. von Kövess beteiligen konnten, 
vollzog sich bis 15. ohne Kampf. An diesem Tage mußte 
jedoch der Südflügel, die 46. Schützendivision, bereits 
schwer ringen, um sich den Weg in den Raum Koprzywnica— 
Klimontüw zu bahnen. Am folgenden Tage erfolgte bei 
Annäherung des linken Flügels an Opatöw ein anfänglich 
für den Feind günstig verlaufener starker russischer Gegen-- 
stoß, dem sich heftige Kämpfe anschloßen, die einen Durch- 
bruch des Feindes zwischen der 1. Armee und der Armee- 
grnppe Woyrsch bezweckten. Letztere hatte am 12. Kielce 
besetzt und drang bereits über die mittlere Kamienna vor, 
n Rußland. 
als sie die Kämpfe an ihrem Südflügel zum Halten zwangen. 
Auch die Armeegruppe Kövess, welche feindliche Nachhuten 
am 16. bei Ruski Brod geworfen hatte, mußte am 18. die 
Vorrückung gegen Radom einstellen und den Ausgang 
der Kämpfe im Räume westlich und südlich Opatow ab- 
warten. Dabei hatte sich ihr Südflügel, die 16. Infanterie- 
division, am 24. bei Mniszek eines starken Vorstoßes des 
russischen XVI. Korps aus Radom zu erwehren. An diesem 
Tage trat ein gewisses Gleichgewicht und damit relative 
Ruhe an der Front nördlich der Weichsel ein, die sich nunmehr 
von Koprzywnica bis südlich Radom und dann über Mniszek 
bis oberhalb Nowe Miasto an der Pilica hinzog. Während 
dieser Kämpfe im Bergland von Kielce wurden 6300 Russen 
samt 30Offizieren gefangen. 
6. Schlacht bei Przemysl. 
I. T e i l. 
(24. bis 29. Mai.) 
Während der Pause in der Offensive hatten die Ver- 
bündeten alle Vorbereitungen für einen allgemeinen An- 
griff getroffen, den 
die Armee Mackensen in östlicher und südöstlicher, 
der rechte Flügel der 3. und die 2. Armee in nord- 
östlicher Richtung gegen Mcsciska an der Straße Przemysl— 
Grüdek führen sollten, um die russiische Feldarmee von 
der Festung abzudrängen. 
Die 4. Armee hatte unter Sicherung des Überganges 
bei Sieniawa gegen die Befestigungen im San—Weichsel- 
Winkel vorzugehen, 
die Südarmee ihren Angriff gegen die Stellungen bei 
Drohobycz—Stryj—Dolina fortzusetzen. 
Bei dem Angriff der Armee Mackensen gestaltete sich 
die Eroberung des dritten Brückenkopfes bei Radymno 
zu einer besonders glänzenden und erfolgreichen Waffentat, 
die vom 23. bis 25. Mai unter den Augen des deutschen 
Kaisers vor sich ging, der hier auf denHöhensüdlichJaroslau 
mit seinem Sohne Prinzen Eitel Fritz zusammengetroffen 
war. Die Russen hatten auch hier wieder eine dreifache 
Verteidigungslinie angelegt: die erste verlief über die Höhen 
westlich von Ostrow, die zweite ging mitten durch dieses 
Dorf hindurch, dessen Gassen mit einem Gewirr von Barri- 
kaden und Stacheldraht angefüllt waren, die dritte stützte 
sich auf den Brückenkopf von Zagrod y. Auch hier blieben 
die Verbündeten ihrem Grundsatz, das Ziel bei möglichster 
Schonung des Menschenmaterials zu erreichen, treu und 
so setzte in der Morgenfrühe des Pfingstmontag ein Artillerie- 
Überfall von fürchterlicher Wirkung ein. Oströw fiel in 
Schutt und Asche, Radymno brannte lichterloh an allen 
Ecken und Enden, in den russischen Schanzen wurde das 
unterste zu oberst gekehrt. So fanden die deutschen Truppen 
am nächsten Tage bei der Erstürmung von Oströw nur 
noch schwachen Widerstand, wogegen unser VI. Korps, 
welches über völlig offenes Gelände gegen die schwierigen 
Hindernisse des stark ausgebauten Brückenkopfes vorgehen 
und sich Schritt für Schritt Bahn brechen mußte, keine 
leichte Arbeit hatte. Aber dem zähen Draufgängertum 
vermochten die Russen nicht lange zu widerstehen, sie wurden 
in toller Flucht gegen Südosten gejagt, wo Rauch und 
Brände die Rückzugsstraße des Feindes bezeichneten. Eine 
in rasender Fahrt davonstiebende Batterie wurde von 
einigen Volltreffern erreicht und gänzlich vernichtet. Dann
	        
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