Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

Der Frühjahrsfeldzng 1915 in Galizien. 
zurückgelegt hatten. Mit unwiderstehlicher Wucht wurden die 
Russen nun endgültig den Abhang hinuntergefegt, alles 
zerknickt, was ihrem Willen noch Halt gab. Es war nur 
noch eine völlig zermürbte und zermorschte Masse, die in 
wirrer, überstürzter Flucht den Ufern des San zustrebte. 
Auch die Preußen hatten einen harten Strauß zu be- 
stehen, da sich die Russen mit verbissener Zähigkeit in dem 
zerstampften Park, in den Schützengräben, die sich von den 
schönen Blumenbeeten des stolzen Herrensitzes bis zu der 
zusammengebrochenen Ziegelmauer der Fabriksanlagen 
hinzogen, festklammerten. Trotz aller sengenden Glnten, 
die die schweren Granaten entfachten, war das Harle Erz 
des Verteidigungswillens noch immer nicht zur Schlacke 
ausgebrannt. So mußten denn die altberühmten Garde-- 
regimenter „Elisabeth" und „Alexander", nachdem sie sich 
nachts bis auf Sturmstellung vorgearbeitet hatten, in früher 
Morgenstunde des 15. Mai mit dem Bajonett das Letzte tun. 
In wildem Anlauf rannten sie alles über den Haufen. Zahl- 
los herumliegende zerbrochene Gewehre gaben noch tagelang 
Zeugnis von dem mörderischen Nahkampf, der namentlich 
im Park getobt hatte. Am Abend war Jaroslan selbst, 
sowie der ganze Brückenkopf in der Hand der Verbündeten. 
Die Absicht der Russen, am San der Offensive Halt 
zu gebieten, hatte somit einen argen Stoß erlitten. Schon 
hatten die Verbündeten einen Übergang auf das Ostufer 
im Besitz, die geplante Verteidigungsfront auf dem West- 
nfer von der Nordfront von Przemysl bis an die Wiskok- 
mündung war durchstoßen. Der noch haltende Flügel im 
Wiskokwinkel, aus dem Süden' von deutschen Truppen, 
im Rücken von der Flügeldiviston der 4. Armee an-- 
gegriffen, die den Wiskok überschritt, mußte am 17. unter 
schweren Verlusten nach Sieniawa weichen. 
Das Gros der 4. Armee hatte inzwischen das San-- 
nfer bis Rudnik vom Feinde gesäubert und sich der Be- 
festigungslinie Risko—Machow vorgelagert. 
Der linke Flügel der 3. Armee, X. Korps, war am 14. 
vor den Vorfeldstellungen der Przemysler Westfront bei Ols- 
zany angelangt. Als am 15. der Angriff auf diese noch am 
Vorabend stark besetzt 
gewesene Linie begann, 
erwies sie sie sich als 
geräumt. Ungehindert 
konnte das Korps bis in 
den Bereich der eigent- 
lichen Gürtellinie heran-- 
kommen. Fast schien es, 
als ob die Russen auch 
hier nur mit schwachen 
Nachhuten halten woll- 
ten. In der ersten Be- 
stürzung über das rasche 
Vordringen der Verbün-- 
deten scheinen die Ruft 
sen, welche die Besatzung 
stark geschwächt hatten, 
um die Schlachtfront zu 
stärken, wirklich an die 
Preisgabe der Festung 
gedacht zu haben. Mitt- 
lerweile waren aber 
Verstärkungen hinein- 
gesendet worden, die 
freilich zu spät kamen, 
um den ersten Kampf in das Vorfeld verlegen zu können. 
— Das X. Korps, hier auf heimatlichem Boden, unternahm 
am 16., trotzdem nur Feldgeschütze zur Stelle waren, den 
Angriff auf die Westfront. Die Infanterie arbeitete sich 
bis auf 300Schritt an die Drahthindernisse des Werkes 
Prakkowce heran, mußte sich aber hier eingraben, weil die 
Feldgeschütze den starken und gut verteidigten Befestigungen 
nichts anhaben konnten. Vor die Nordfront und die an- 
schließende Verteidigungslinie von Radymno legte sich 
der Südflügel der Armee M a ck e n se n, vor die Südfront 
die Mitte der z. Armee, während deren rechter Flügel 
gegen Hussaküw vorrückte. Hiebet zersprengte die 27. Jnsan- 
teriedivision im Verein mit dem deutschen Beskidenkorps 
am 15. nächst der berühmten Magierahöhe (südlich Mizyniec) 
eine starke russische Nachhut. 
Die 2. Armee durchzog mit ihrem rechten Flügel 
am 1?. Sambor und stieß gleich dem rechten Flügel der 
3. Armee am 16.auf die russische Verteidigungsstellung 
zwischen Przemysl und den Dnjestersümpfen. Die mit 
großer Heftigkeit angesetzten Angriffe brachten wohl an 
einzelnen Stellen Erfolge, lehrten aber auch, daß man es 
nicht mehr mit Nachhuten, sondern mit einer gut ausge- 
bauten und wohlverteidigten Hauptstellung zu tun hatte. 
Am gleichen Tage traf" auch die Südarmee, deren linker 
Flügel, Gruppe S z u r m a y, am 15. das Petroleumgebiet 
von Drohobycz besetzt hatte, auf die neue russische Stellung. 
Die Verbündeten hatten in zwei Wochen ungeahnte 
Erfolge erreicht, von Westen gegen Osten rund 130, von 
Süden gegen Norden rund 50 Kilometer Raum gewonnen, 
dabei über 170000 Gefangene gemacht, 128 Geschütze und 
368 Maschinengewehre erbeutet, von den großen Vorräten 
nicht zu reden, welche die Russen beim eiligen Rückzug im 
Stiche lassen mußten. 
Nun bedurfte es aber einer Pause des Atemholens. 
Die Truppen hatten Übermenschliches geleistet, es mußte 
ihnen einige Ruhe und Erholung gewährt werden, was 
umso unbedenklicher geschehen konnte, als mit der am 
16. Mai erfolgten Festsetzung auf dem rechten Sanufer bei 
Blick auf den Ostry von der Straße südlich Orawa.
	        
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