Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

Fsld'uz gegen Rußland. 
Der Friedhof von Gorlice. 
willen erfüllten Divisionen trieb ihn von Stellung zu Stel- 
lung. Dabei bestimmten nicht die Russen die Richtung ihrer 
Flucht, sondern wir. Strahlenförmig strebten die feindlichen 
Kolonnen einem Schutz versprechenden Mittelpunkt zu und 
suchten diesen fast triebmäßig in dem starken Przemysl. 
Es fehlte in diesen glorreichen Verfolgungstagen nicht 
an den unglaublichsten, mitunter fast tragikomisch an- 
mutenden Vorkommnissen. So wurde, wie in der Zeitschrift 
„Der Krieg" erzählt wird, eine Patrouille der Hohenmauther 
Landwehrulanen, die sich zu weit vorgewagt hatte, von 
Kosaken überfallen, und dabei fielen'Leutnant von P i n d t e r 
und Korporal Kloß in russische Gefangenschaft. Die 
russische Kavalleriebrigade, der sie folgen mußten, geriet 
aber am nächsten Tage in deutsches Artillerie-- und Maschinen- 
gewehrfeuer und in der allgemeinen Verwirrung bewaffneten 
die beiden sich und fünf gleichfalls gefangene Infanteristen 
mit Gewehren der russischen Geschützbedeckung. Dann 
forderte der Leutnant den russischen General zur Übergabe 
auf. Und das Unglaubliche geschah: infolge des uner- 
schrockenen Auftretens der Österreicher konnten der General, 
i Oberst, 10 andere Offiziere und 382 Mann gefangen ge- 
nommen und 15 bespannte Geschütze als Siegespreis der 
kühnen Tat der herbeigeeilten Maschinengewehrabteilung 
der Przemysler Landwehrdivision übergeben werden. — Ein 
andermal stieß eine verirrte Abteilung Kaiserjäger unversehens 
auf ansehnliche Baracken, die man alsbald als russisches 
Monturdepot erkannte. Der Barackenkommandant, ein 
pensionierter Oberstleutnant, saß gerade mit seinen beiden 
Offizieren gemütlich beim Nachmittagskaffee und seine etwa 
50 Soldaten klopften die Monturen aus, als die Kaiserjäger 
in Schwarmlinie aus dem Walde hervorbrachen. Dem alten 
Oberstleutnant entglitt zuerst vor Schreck die Kaffeetasse, 
dann aber ging er ohne jede Waffe auf den Führer der 
feindlichen Truppe zu und forderte ihn auf, sich sofort zu 
ergeben. Das Bild war ein wenig komisch: der alte Hau- 
degen, dessen wallender Bart noch die Spuren des ver- 
schütteten Kaffees aufwies, forderte vier Dutzend Kaiser- 
jäger zur Übergabe auf in einem Augenblick, da von allen 
Seiten die Sieger von Gorlice heranmarschierten. Der die 
österreichische Abteilung befehligende Fähnrich erklärte ihm die 
Lage, der Alte blieb jedoch unerschütterlich bei seiner Über- 
zeugung, daß es der Jägerabteilung nur durch einen Zufall 
geglückt sein könne, sich durch irgendeine Lücke der russischen 
Front durchzuschleichen. „Ich fordere euch auf," sagte er 
neuerdings, „euch zu ergeben, weil 
meine Soldaten auf einen Wink 
von mir hier sein werden. Ich würde 
mit den schärfsten Mitteln vorgehen 
müssen, wenn ihr dem Befehle eines 
kaiserlich russischen Oberstleutnants 
nicht Folge leisten würdet." Der 
Fähnrich antwortete darauf nur: 
„Herr Oberstleutnant, sehen Sie sich 
doch um!" Zwischen den grünen 
Saaten sprengten nämlich eben in 
breiter Front sächsische Reiter heran, 
um die Umgebung abzusuchen. Da 
blieb dem alten Herrn das Wort 
in der Kehle stecken, aber dann nahm 
er die Sache von der gemütlichen 
Seite. „Nichts für ungut, Kamerad", 
sagte er im reinsten Deutsch, „dann 
bin eben ich der Gefangene." 
Nach dem Siege bei Sanok—Rzeszüw erhielten unsere 
Arm en für die weitere Vorrückung folgende Direktionen: 
Südarmee: Stryj—Drohobycz, 
2. B ö h m-E r m 0 l l i : Sambor, 
3. B 0 r 0 evic: Przemysl, 
Mackensen: Jaroslau, 
4. Erzherzog Josef Ferdinand: unterer San. 
Die Größe des bisher errungenen Erfolges sprach sich 
in der seit 2. Mai gemachten Zahl von 130 000 Gefangenen, 
100 erbeuteten Geschützen und 300 Maschinengewehren aus. 
5. Einleitungskämpfe zur Schlacht bei Przemysl. 
(12.—23. Mai.) 
Nachdem die Russen in aller Hast Teile ihrer bei Odessa 
neugebildeten Reservearmee herangeholt hatten, faßten sie 
den Entschluß, dem Vordringen der Verbündeten im nächsten 
günstigen Abschnitt einen festen Wall entgegenzusetzen. Im 
ganzen mag D i m i t r i e w einige Armeekorps zu seiner 
Unterstützung erhalten haben. Natürlich trafen diese Ver- 
stärkungen nicht gleichzeitig ein, aber immerhin verfügte der 
russische Feldherr, als die neuen Entscheidungskämpfe am 
San entbrannten, doch schon wieder über beträchtliche 
Kräfte, von denen er allerdings diejenigen, die schon die 
Schreckenstage von Gorlice mitgemacht hatten, sofort hinter 
die Front zurücknehmen mußte, da sie bei ihrer starken Cr- 
schütterung einem neuen ernsthaften Kampfe noch nicht wie- 
der gewachsen waren. Die Stellung, in der D i m i t r i e w 
dem Verfolger erneut Trotz zu bieten gedachte, war die 
Sanlinie. Den Hauptstützpunkt sollte die in der Zwischen- 
zeit wieder in Verteidigungsstand gesetzte Festung Przemysl 
bilden. Sie und die vor Radymno und Jaroslau angelegten 
Brückenköpfe konnten es den Russen ermöglichen, auf dem 
linken Ufer des San festen Fuß zu behalten, um die Ver- 
teidigung des Flusses, der um diese Jahreszeit kein bedeutendes 
Hindernis bildet, durch gelegentliche Gegenstöße und vielleicht 
später die Wiederaufnahme der Offensive zu erleichtern. 
Ähnlichen Zwecken diente auch die starke Befestigungslinie, 
welche die Russen, gleichsam als stark erweiterten Brücken- 
köpf von Sandomierz und Rozwadöw, im San—Weichsel- 
Winkel, etwa längs der Linie Nisko—Machüw, angelegt hatten. 
Gleichfalls längst vorbereitet war eine mehrfache Be- 
festignngslinie, die von der Südfront der Festung Przemysl 
nördlich Hussakow und Krukienice zu den Sümpfen am
	        
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