Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

Der Feldjug gegen Serbien 1915/16. 
von ihm jüngst errichteter Deckung fiel jetzt der Schleier 
herab. Desgleichen blickte man ihm in die Karten, denn 
es war nicht zu verkennen, daß seine Batterien sich auf jede 
Stelle des linken Ufers genau einzuschießen bemühten. 
Augenscheinlich bereitete er sich vor, der Überschiffung kräftig 
entgegenzutreten. Die Division konnte ihm dies nur in ge¬ 
ringem Maße verwehren, da sie eben noch immer bloß über 
leichte und mittlere Artillerie verfügte. Doch die schwere 
nahte schon und war am 20. Oktober in Stellung. Jetzt 
war die Division schlagfertig; die Überschiffung konnte ins 
Werk gesetzt werden. Geplant war sie so: östlich Nezuke 
sollten Bataillone der 9. Brigade überschiffen, jene der 
Festungsbrigade teils knapp 
unterhalb der gesprengten Stein-- 
brücke, teils weiter flußabwärts 
bei Crnka, diese und jene von 
einer starken .Feuerstaffel am 
Mken Ufer unterstützt. 
Deckung der Flanke der 
sion, das ist zur weitreichenderen 
Seitensicherung ihres Vorstoßes, 
blieben links jim Sicherungs¬ 
abschnitt Staragora Detache- 
ments der Festungsbrigade, wo 
sie bisher gestanden, im Abschnitt 
Srebrenica des Drinabuges ein 
Landsturmbataillon, rechts ein in 
Medjedja stehendes Bataillon 
9. Brigade/Eng an dieses grenzte 
der dem Kommandierenden Gene- 
ral in Bosnien und der Hercego- 
vina unterstehende vom!*£>bst. 
v. Vuchetich befehligte Siche¬ 
rungsabschnitt Odzak. 
Gemäß dem ergangenen Be 
fehl stellten sich die Truppen 
Überschiffung bereit. ^Jedoch mit 
des Schicksals Mächten ist kein 
-ewiger,Bund zu flechten: 
Drina schwoll unversehens so ge-- 
waltig an, wälzte ihre schäumend- 
gurgelnde Flut derart wildtosend, 
daß die Überschiffung unmöglich 
'wurde. Also hieß es Mit 
schränkten ^ Armen swarten, bis 
sich der von des Herbstes Un- 
guust aufgepeitschte Fluß be- 
ruhigt haben werde. Erst nach zwei Tagen glätteten sich seine 
Wellen, sank die Hochflut in sich zusammen. Zwar durch- 
strömte der Wildling auch jetzt beileibe nicht sanft und ge- 
mächlich sein Tal, aber immerhin konnte man's wagen, 
sich seinem Rücken anzuvertrauen. Um 1 Uhr morgens 
des 22. Oktober traten also die Truppen an seine Ufer- 
böschung heran. Kaum geschah's, hatten die Serben 
drüben gleich heraus, was sich vorbereite, entdeckten auch 
.alsogleich das Zutragen der Pontone zu Wasser und über- 
schütteten sie mit Feuer. Diese höllische Bescherung war recht 
widrig. Dennoch gelang es einer Handvoll, einem Häuf- 
lein, dann einer Schar, einem Schwärm, einem Halbzug, 
immer ihrer mehr, das jenseitige User zu erreichen. Bis 
6Uhr vormittags waren es an der Überschiffungsstelle bei 
Nezuke 2% Bataillone, die sich auch bereits der ruinen- 
gekrönten Höhe 4z? und des Ostrandes der Stadt bemächtigt 
hatten. Andere Bewandtnis hatte es mit der Überschiffung 
bei der Brücke und bei Crnka. Dort glückte es bis Uhr 
vormittags nicht, mehr als etwa 100 Mann an der einen, 
100 an der anderen Stelle zu überschiffen. Sie gerieten so- 
zusagen noch in den Pontonen ins Handgemenge und allein 
ihr glänzender Mut brachte es zuwege, daß sie sich wenig- 
stens soviel Luft machten, um trockenen Fußes zu stehen — 
40 bis 50 Schritte vor vollbesetzten feindlichen Deckungen! 
Das Ärgste war überstanden, der erste Schritt getan. 
Ja bei der südlichen Gruppe sogar noch einiges mehr, da 
der von ihr gegen die stark befestigte Höhe 514 angesetzte 
Angriff gute Fortschritte machte. Hinkte es also auf der einen, 
der nördlichen Seite, so machte 
dies der fließende Gang der ande- 
ren, der südlichen, hinlänglich 
wett. Wahrscheinlich wäre auch 
die nördliche Gruppe aus dem 
Hinken in fortschreitende Be- 
wegung gekommen, hätten ihr 
frische Kräfte dazu den Schwung 
verliehen, 'aber um diese zu ihr 
hinüberzuschaffen, fehlte es an 
Pionieren. Gar viele—und mit 
ihnen an 20Pontone — hatte die 
Drina verschlungen, viele waren 
verwundet. Was noch die Ruder 
führen konnte, überschiffte jetzt 
fast bloß noch bei Nezuke; dort, 
die Division das Heft in der 
Hand hielt, die, um stark zu 
bleiben, steter Kraftzufuhr be- 
durfte. Da ihr diese zuteil wurde, 
schmetterte sie immer mehr Feinde 
nieder. Kurz nach Mittag den 
er Höhe 514, eine Stunde 
Henen bei der Militär- 
schießstättenhöhe, worauf auch die 
Eisenbahnstation und der Orts- 
teil am linken Rzavufer ge- 
wonnen wurden. Versuche des 
Feindes, die verlorenen Höhen 
zurückzugewinnen,' scheiterten, so 
hartnäckig er sie wiederholte, 
durchwegs alle. Unsere Braven, 
die hier ihre Feuertaufe erhalten 
hatten, ließen auch nicht ein 
Zipfchen ihres Taufgeschenkes 
fahren. Und jetzt holten sich dieses auch jene der nördlichen 
Gruppe: die Höhe 281. Blutgelohnt waren sie beide, und 
auch der Lohn war blutig, um den die Täuflinge ihr Gut 
die ganze Nacht über so fest hielten, als wollten sie es nimmer- 
mehr auslassen. 
So war denn — man konnte es schon jetzt behaupten 
— der Übergang gelungen. Daß dabei nicht alles so ge- 
worden, wie man's sich gewünscht, oder gar gegen Erwartung 
gut, ist nicht wunderzunehmen; im Gegenteil, es ist fast er- 
staunlich, daß nicht vieles mißglückte, denn Ursachen, die es 
herbeiführen hätten können, gab es mehr als genug. Allein 
schon, daß dem Übergang die oft viel entscheidende Wirkung 
der Überraschung fehlte, machte ihn aussichtsärmer. Und 
fürwahr, der Feind hatte sich nicht überraschen lassen, viel- 
mehr hatten wir ihn völlig vorbereitet und den Übergang 
erwartend gesehen, denn er hatte sich mitnichten vom blinden
	        
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