Die Eroberung von Belgrad.
die Verteidiger. Und wie es in jenem Lande seit Urväterzeit
Brauch, kämpfen auch Weiber, werfen Bomben, bedienen
Maschinengewehre. Sind es wüste Megären, blutdürstige
Hyänen, oder sind es herzhafte Amazonen, erzürnte Löwinnen?
Gleichviel. Wer hat jetzt Verständnis für diesen Unterschied.
Nur weiter f Nieder mit ihnen, ob Mann oder Frau, nieder
mit allen, die sich entgegenstellen, keinen Pardon geben noch
nehmen; nieder mit ihnen und hinweg über sie! — Das
Straßenpflaster färbt sich dunkler und dunkler rot, ober ihm
dunstet der Hauch des aus hundert und aberhundert Bornen
rieselnden, sprudelnden Lebensquells. Weiter, immer weiter!
Hinein in die Häuser, wo sich an den Fenstern Gewehrläufe
zeigen, hinein in jene, von deren Dächern sich siedendes
Wasser auf euch ergießt, brennende Kienspäne herabsausen!
Rennt die Tore ein, brecht ein durch den Flur; metzelt sie
nieder, die euch den Eintritt wehren! Die Treppe hinauf
in die Stuben! — Pulverdampf, Brandgeruch im ganzen
Hause, Jammern und Stöhnen, dann sitzt der rote Hahn
am Dach, vom Hausherr selbst daraufgesetzt. Die Unsrigen
reißen ihn schnell herab, noch ehevor seine flammenden
Schwingen den First berühren. Hier gelingt's, beim Nach--
bar nicht mehr. Dort qualmt's schon an allen vier Ecken
und glost im Bodengeschoß; sie kommen zu spät. Weiter,
weiter! zum Löschen ist jetzt keine Zeit. Und weiter bahnen
sie sich — ihre blanke Waffe stechend, der Kolben dreschend,
die Faust niederschlagend, die Finger krampfhaft dem Feinde
die Gurgel zusammenpressend — den Weg; immer weiter
— säend den Tod, sie selbst Ernte des Todes — weiter
bis zu der ihnen als Ziel bestimmten, die Donaustraßen
durchquerenden Car DuSauova-Gasse. Sind es noch viele,
sind es nur noch wenige, die bis zu ihr gelangten? Ihrer
noch genug, um schnell Barrikaden aufzurichten, von ihnen
aus dann mit dem bleiernen, auf ihren Gewehrläufen ge-
stielten Besen die weiterführenden Straßenzüge reinzufegen.
Dann endlich — 6 Uhr ist es — können sie die Waffen ruhen
lassen. Sie hatten ihre Pflicht — und zehnfach mehr! — getan,
ihre schwere Tagesarbeit ist beendet. Der blutrote Schleiern
nebel vor ihren Augen zerstiebt jetzt, und sie, die noch vor
Augenblicken wütende, zähnefletschende Wölfe waren, sind
nun friedsame, sanfte Menschen — und es ist ein furchtbar
Grauen um sie herum. Doch sie wollen das Häßliche nicht
sehen, nicht daran denken, daß die Siegespalme des Kriegers
nur auf leichengedüngtem Boden wächst — und freuen
sich ihres Sieges, wie es tapferen Kriegern geziemt. Hurra!
für Kaiser und König, Hurra! fürs Vaterland — und nun
danket Gott...
Eine Kompagnie der 87er war unterdessen gegen die
- Flanke des dem rechten Flügel des Feldjägerbataillons 15
gegenüberliegenden Feindes vorgedrungen und hatte ihn
auch dort zurückgedrängt. Als aber dann die am Flügel
kämpfenden Jäger vorbrachen, stießen sie schon bei den
ersten Häusern auf solch erbitterten Widerstand des ihnen an
Zahl weitüberlegenen Feindes, daß sie am Stadtrand an-
halten mußten. Für die Allgemeinheit der Truppen war
dies weiter von keiner Bedeutung, und für die Jäger selbst
auch nicht gerade schmerzlich. Bedenklicher sah es am äußersten,
unterm Befehl des Major Christian stehenden linken
Flügel aus, der von den die Schlachthäuser mit erstaunlicher
Zähigkeit haltenden Serben auch noch eine Zeitlang nach dem
Sturm gefährdet war. Die Braven dort bedrängte Feuer und
Wasser zugleich: der Feind und die stets höher steigende Donau.
Schließlich erwehrten sie sich aber jenes, spottend dieser,
deren schlammige Fluten ihnen schon bis an die Knie reichten.
Der Turm auf dem Kalimegdan.
Die anderen überschifften Truppen waren zum größten
Teil den vorausgestürmten nachgefolgt und standen jetzt
hinter ihnen in Reserve; welche nicht nachgefolgt waren,
hielten noch am Eisenbahndamm.
* *
Auch beim deutschen XXII. Reservekorps hatte die Uber-
schiffung in der Nacht vom 7. auf den 8. Oktober gute Fort-
schritte gemacht, und als dann genügend Truppen auf der
Großen Zigeunerinsel versammelt waren, griffen sie die noch
immer ihnen gegenüber festfußenden Serben an. Dabei
ging's nur langsam vorwärts, denn hatte man auch den Feind
bald aus seinen Gräben geworfen, so war es um so zeit--
raubender und schwerer, ihn von den Bäumen herabzuholen,
aus dem Schilfdickicht, den Gruben, Löchern und hunderterlei
anderen Schlupfwinkeln herauszutreiben, richtiger gesagt,
ihn darinnen zu Tode treffen, denn keiner der Tapferen
wollte vom Sich-ergeben etwas wissen. Als endlich auch der
Letzte von ihnen, die ihr Leben teuer verkauft, fiel und die
Deutschen im Besitz der Großen, gleichwie der Kleinen Zi--
geunerinsel waren, hieß es für sie, sich je schneller des nach
dem anderen Ufer führenden Steges und der Floßbrücke
zu bemächtigen, damit nicht etwa die im Brückenkopf noch
haltenden Serben Zeit fänden, sie zu zerstören. Auch dies
war nicht leicht und ging nicht so schnell, doch bis gegen Mittag
gelang es trotzdem, und da mittlerweile auch die feindliche