Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

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Der Feldzug gegen Serbien 1915/16. 
Donaumonitor Körös. 
eine regnerische Herbstnacht schien es zu sein, wie es solche 
in jedem Jahre gibt. Doch nein, es war keine solche; es 
war eine im zweiten Herbst, seit die Kriegsfurie in Landen 
weit und breit die Flammen schürte — und jetzt brannte 
dort drüben ihr Fanal und zeigte den Weg, den sie noch in 
dieser Nacht gehen wollte. Aber es verfloß Viertelstunde 
auf Viertelstunde, ohne daß ihn unsere, auf schwanken 
Brettern ihrem Fingerzeig folgende Truppen hinüberfanden. 
Endlich, nach 4 Uhr, kamen sie, jeder einzelne auf dem grell-- 
roten Spiegelbild in allen Umrissen deutlich erkennbar, die 
Pontone in langer Kette südlich der Großen Kriegsinsel 
aus der Richtung von Zemun die Donau heruuterge- 
fahren. Jetzt prasselte auch schon vom jenseitigen Ufer 
über die kleinen, mit Menschen dichtgefüllten, dem ge- 
waltigen Strom Ruderschlag für Ruderschlag abringenden, 
gebrechlichen Fahrzeuge Feuer und Eisen nieder. Wie denn 
auch nicht! Die Serben hatten sich ja während der Zeit, die 
seit unserem sie zur Unbeweglichkeit zwingenden Trommelfeuer 
verstrichen war, von ihrer Betäubung erholt, hatten ihre 
zurückgehaltenen Kräfte gesammelt und sie jetzt voll eingesetzt. 
Ihre Infanterie hatte die, wennzwar da und dort zerschossenen, 
doch noch immerhin guten Schutz und sichere Deckung ge- 
währenden Brustwehren am User und am Bahndamm 
wieder besetzt, ihre bisher verborgen gehaltene oder sich nur 
verheimlichende Artillerie war jetzt in Stellung, die aus 
ihren Unterschlupfen hervorgeholten Maschinengewehre und 
Minenwerfer an Ort und Stelle — und alle sie spien jetzt 
grausiges Verderben über den -verwegenen, der Festung 
sich nähernden Angreifer. Es war dies das Bataillon III./74. 
Obstlt. Mettelet, das hier, allen Schrecken spottend, 
zielsicher seinen Landungsplätzen zusteuerte. Daß es sich ver¬ 
spätet hatte, daran waren ganz unberechenbare, im letzten 
Augenblick eingetretene Hemmnisse schuld. Leider litt jetzt 
dadurch das Bataillon sehr, denn der Feind hatte, wie 
gesagt, unterdessen mehr als hinlänglich Zeit gefunden, seine 
Kräfte zu entfalten. Ebenso schlimm war es, daß die vor- 
handenen Uberschiffuugs mittel nicht ausgereicht hatten, die 
als erste Staffel bestimmten, mehr als kriegsstarken zwei 
Bataillone ganz aufzunehmen, und daher dem Bataillon 
Obstlt. M e t t e l e t 
der Viernudsiebziger 
nur noch anderthalb 
Kompagnien jenes der 
Vierundachtziger nach- 
folgen konnten. Natür-- 
lieh, von den wackeren 
Deutschböhmen aus der 
Reichenberger Gegend 
und den kernigen 
Niederösterreichern, die 
sich da eingeschifft hat- 
ten, fragte keiner, wie- 
viel und ob ihnen über- 
Haupt noch jemand 
nachkomme; für sie lag 
jetzt hier der Rubikon; 
gehe es, wie es gehen 
wolle, sie mußten und 
wollten hinüber. — 
Und es ging. Trotz 
des die Pontonkolonne 
der Vierundsiebziger 
treffenden schweren 
Eisenhagels, der mehrere Fahrzeuge erdrückte, so daß sie mit 
Mann und Maus in den glucksenden Fluten der Donau auf 
Nimmerwiederkehr verschwanden, während andere, voll von 
Toten und Schwerverwundeten, führerlos stromabwärts 
trieben, setzten die vom Untergang noch verschonten ihre Fahrt 
ungebrochenen Mutes fort. Schon winkt ihnen das Ziel; 
noch einen Steinwurf weit, und sie sind am Ufer. Da öffnet 
aber die Hölle auf jenem alle ihre Tore angelweit: Gewehre, 
Maschinengewehre, Minenwerfer, alle in nächster Nähe am 
teuflischen Werk, überschütten die Heranrudernden mit töd- 
lichem Blei, und Handgranaten reißen in den dichtgefüllten 
Fahrzeugen furchtbare Lücken. Doch der hehre Mut kennt 
kein Wanken: die wundersam Braven lassen sich nicht abweisen. 
Sappeure springen mit kaltblütiger Ruhe in die Fluten, 
schneiden Gassen in die unter das Wasser reichenden Draht- 
Hindernisse, darauf die Pontone ans Ufer heranfahren. 
Jetzt die Infanterie! Im Nu hat sie festen Boden unter den 
Füßen; drauf und dran, mit Drahtscheren, Axthieben und 
Kolbenschlägen, räumt sie dann wie verheerender Wirbelwind 
die Hindernisse hinweg, stürmt in Gruppen und Haufen vor, 
macht, wetteifernd im blutigen Ringen Mann gegen Mann, 
den Feind nieder und besetzt den an der Festungsmauer 
vorbeiführenden Eisenbahndamm. 
Kaum hatte die Landung der ersten Fahrzeuge des 74er 
Bataillons begonnen, als auch jene Pontone, welche die 
gleichzeitig in Zemun eingeschifften anderthalb Kompagnien 
des IV./84. Bataillons an Bord hatten, aus dem Douauarm 
zwischen der Großen Kriegsinsel und der Kozarainsel heraus- 
kamen und — nunmehr in voller Sicht des Feindes — 
der ihnen bestimmten Landungsstelle zusteuerten. Hundert 
Blitze und ihrer noch mehr flammten jetzt auf Belgrads 
Zinnen aus den Feuerschlünden auf; ein wahres Feuerge- 
witter entlud sich über die Nahenden. Dennoch überstand 
es wenigstens die vordere Hälfte der Pontonkolonne mit 
ungefähr 3Zügen der 14. Kompagnie; die andere, irre ge- 
worden in diesem Hexenkessel und auch geblendet vom 
schmerzend-stechenden Licht der Scheinwerfer, kam auf die 
Kozarainsel ab. Nun war es also an den Gelandeten, doppelt 
und dreifach ihren Mann zu stellen. Dies tateu sie — und
	        
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