Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

Seekrieg 1915/16. 
Das Handelsunterseeboot „Deutschland" in Bremen einlaufend. 
Auch für die überseeischen Besitzungen und Stationen 
vermochte England nicht mehr in der zureichenden Weise 
zu sorgen. So konnte für Port Said der nötige Bedarf in 
Brennstoff nicht mehr in zureichender Menge durch eigene 
Dampfer zugeführt, sondern er mußte durch japanische Kohle 
ergänzt werden. 
Anfangs Juni tauchten Gerüchte auf, es sei den Deut-- 
schen gelungen, Unterseeboote ohne Periskop zu bauen, zumal 
man in der letzten Zeit bei zahlreichen Torpedierungen wohl 
den Schaumstreifen des Torpedos, aber kein Periskop des 
angreifenden Unterseebootes sah. Daß diese Gerüchte nicht 
bloß eine Vermutung waren, bewies ein marinetechnischer 
Aufsatz in der holländischen Zeitschrift „Landstorm", der 
von solchen Bauten versicherte, daß eine sinnreiche Anbring-- 
ung von Linsen und Spiegeln am Schiffskörper dem Kom- 
Mandanten erlaube, die notwendigen Beobachtungen zu 
machen, um sein Tauchboot zu steuern. Zwar müßten solche 
Tauchboote sich mehr an der Oberfläche halten, doch werbe 
dies durch den Vorteil aufgehoben, daß sie durch das Fehlen 
eines Periskops nicht die Aufmerksamkeit begegnender 
Schiffe auf sich zögen. 
In dieser Drangsal verfiel man in London nunmehr auf 
ein neues Gewaltmittel, um der drohenden Rohstoffe und 
Lebensmittelnot abzuhelfen. 
Nebst einer fast völligen widerrechtlichen Unterbindung 
des gesamten neutralen Postverkehrs, wurde in den englischen 
Häfen keinem neutralen Schiffe mehr gestattet, Frachten für 
Hl, Petroleum oder ähnliches abzuschließen, falls hiezu nicht 
im voraus die Genehmigung der englischen Behörden 
geholt worden sei. Wenn diese Vorschrift nicht befolgt wird, 
sollten die betreffenden Schiffe so behandelt werden, als wenn 
sie einen Bruch des Ubereinkommens über die Lieferung von 
Bunkerkohle begangen hätten. Ausgenommen waren Frachten 
nach Großbritannien und den Ländern der Alliierten. Die 
Ursprungszeugnisse müssen von den englischen Konsuln 
ausgestellt werden. Ursprungszeugnisse, die von Erwerbs- 
gesellschaften oder Körperschaften ausgestellt sind, werden als 
ungültig betrachtet. Ferner verlangte England von den neu-- 
tralen Reedern, sie mögen ihre Schiffe zu Fahrten im Dienste 
Englands zur Verfügung stellen, 
sonst werde ihnen England die 
Bunkerkohle (die Schiffskohle in 
den Bunker-Depots für den 
eigenen Hauptmaschinenbedarf) 
entziehen. 
Die Holländer und andere 
Neutrale weigerten sich jedoch, 
dieser Erpressung zu gehorchen. 
Sie wählten den Ausweg, sich mit 
deutscher Kohle zu versorgen. 
Nun erklärte England, es 
betrachte die deutsche Kohle als 
Bannware und werde daher 
Schiffe, die nicht beweisen können, 
daß sie keine deutsche Kohle haben, 
als Prise betrachten. Das war 
wohl eine Höchstleistung der Ge- 
walttätigkeit, durch welche die 
Neutralen vor die Wahl gestellt 
wurden, entweder die gehör- 
samen Diener Großbritanniens 
zu sein, oder die Möglichkeit 
des Verdienstes gänzlich zu 
verlieren und wirtschaftlich zugrunde zu gehen. Seit der 
Navigationsakte von Eronwell ist eine ähnliche Form der 
Selbstüberhebung noch nicht dagewesen. Das „Pressen", der 
Zwang zur Rekrutierung, wie er in früheren Jahrhunderten 
ausgeübt wurde, war hier ins Wirtschaftliche umgesetzt. Die 
Neutralen, die kleinen Völker, zu deren Gunsten der Krieg 
bekanntlich begonnen wurde, müssen Frondienste für England 
leisten, weil sie sich nicht wehren können, und werden, ohne 
daß auch nur ein Vorwand gesucht würde, ohne weiters ge-- 
zwungen, ihre Neutralität im echten Sinne des Wortes auf- 
zugeben, weil England durch die Unterseeboote in Bedrängnis 
gekommen war und sich nicht mehr anders zu helfen wußte. 
Unzweifelhaft mußte es dem großen England bereits 
sehr schlecht gehen, daß es bei so traurigen Hilfsmitteln an- 
gelangt war, um den Verkehr auf dem Meere, das es zu 
beherrschen glaubte, aufrecht zu erhalten; und daß es die 
eigene Schwäche zu verbergen nicht mehr imstande war, son- 
dern durch diese Erpresserpolitik an den Kleinen und Schwachen 
erst recht enthüllte. Der Unterseebootkrieg ist der gewaltigste 
Feind, den England jemals zu bekämpfen hatte, und alle 
Künste> alle Willkür gegen die Neutralen, werden nicht aus- 
reichen, um diese Gegner abzuwehren. 
Aber England erniedrigte sich noch tiefer, indem es die 
schon historisch gewordenen schändlichen Prisengelder wieder 
einführte. Solche wurden nämlich nach hundertjähriger Pause 
neuerlich wieder den Offizieren und Mannschaften des bewaff- 
neten Handelsschiffes „Cap Trafalgar" für die Versenkung 
der „Carmania" ausbezahlt, wobei man den Wert eines 
getöteten deutschen Matrosen mit 100 Schilling berechnete. 
Es erwies sich vielleicht als nötig, britische Seeleute auf diese 
Weise aufzumuntern, ihre Pflicht gegen Land und Reich zu 
erfüllen! * * 
* 
Um diese Zeit ereignete sich ein ganz sensationelles Ge- 
schehnis submariner Rekordleistung. Ein deutsches „Handels- 
Unterseeboot", die „Deutschland", das unter Kapitän 
König die Helgoländer Bucht am 23.Mai verlassen hatte, 
traf am 10. Juni in Baltimore ein, welchen Hafen es am 
4. August wieder verließ, um dann am 23.August wieder
	        
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