Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

444 , Seekrieg 
leider doch nicht, da England alle neutralen Schiffe, die 
englische Häfen anliefen, nur dann mit Kohle versah, wenn 
sie Lebensmittel nach England brachten, weiters weil Amerika 
bald neue Pressionsmittel einsetzte, um eine Milderung 
des v-Bootkrieges zu erzwingen. Hsterrei ch4t ngarn 
schloß sich diesem Vorgehen, laut einer diplomatischen Note 
vom 10. Februar an, indem es erklärte, ab 29. Februar 
unter allen Umständen bewaffnete Kauffahrteischiffe von 
England, Frankreich und Italien fortan wie 
Kriegsschiffe zu behandeln. Die Angehörigen der Neutralen 
wurden gewarnt, ihre Personen oder ihr Gut solchen be- 
waffneten Handelsschiffen anzuvertrauen. 
Der Erfolg stellte sich schnell ein. 
In der Zeit vom 2. bis 18. Mär; waren nach amtlichen 
Meldungen bereits 19 feindliche Schiffe mit 40000 Brutto- 
registertonnen versenkt worden. Deutsche Unterseeboote 
wagten sich sogar wiederholt in die Gewässer von Havre, 
wobei sie in einer Entfernung von nur 500 Metern vom Hafen 
ein Schiff versenkten. Darunter waren auch die 8 bis 10 
Millionen Wert besitzenden Riesenluxusdampfer „Pale n- 
bang" und „T u b a n t i a" (holländisch), der französische 
ioovo Tonnen-Dampfer „Provence", der englische 
iz 54z Tonnen-Dampfer „Mineapolis" und viele 
andere große Schiffe, von denen einige auch wohl See-- 
minen zum Opfer gefallen sind. Bezüglich des, einen Wert 
von 6 Millionen Gulden repräsentierenden Passagierdampfers 
„Tubanti a", dessen Untergang im neutrale» befreundeten 
Holland eine tiefe Erregung ausgelöst hatte, ergab die 
amtliche Untersuchung Mitte Juni 1916, daß die in den 
Rettungsbooten der „Tubantia", gefundenen Torpedoteile 
allerdings von dem deutschen 54 Zentimeter Bronze-Torpedo 
2ozz herrührten, daß dieser Torpedo jedoch am 6. März 
1916 nachmittags 4 Uhr 43Minuten von einem deutschen 
Unterseeboot als Fehlschuß auf einen britischen Zerstörer 
abgefeuert worden war. 
Wenn aber auch das Ergebnis der Versenkungen be; 
greiflicherweise hinter den Zahlen, welche man bei uns erwartet 
hatte, anfänglich etwas zurückblieb, so überschritt sie doch 
beträchtlich den durchschnittlichen Tauchbooterfolg vor dem 
Beginn des verschärften Seekrieges. Als die Feinde monat- 
lich nahezu 100000 Tonnen an Schiffsraum verloren, da 
war das für sie, die ohnehin längst schon unter dem Mangel 
an Schiffsraum litten, doch schon eine Einbuße, die sich recht 
empfindlich geltend machte, um so mehr als mit der wachsen- 
den Gefährdung der Schiffahrt die Bereitwilligkeit der 
Reeder immer geringer wurde und die Versicherungsraten, 
die Transport-- und Warenkosten immer höher stiegen. 
Jede Versenkung löste ungeheure Erregung jenseits und 
diesseits der Atlantic aus, doch keine verursachte eine derartige 
Spannung, wie der Untergang der„Sussex",durch den Nord- 
amerika dicht an den Rand des Krieges gegen Deutschland 
gebracht wurde, wobei Weiterungen entstanden, die deutscher- 
seits wenigstens formell eine wichtige Milderung der Praxis 
deutscher I7-Boote zur Folge hatten. (Vergl. Einleitung). 
Die Zusicherungen, die Deutschland der amerikanischen 
Regierung machte, waren wirklich letzte und äußerste Zu-- 
geständnisse und wogen außerordentlich schwer. Es war 
daher vollkommen gerechtfertigt, wenn die Deutschen forderten, 
daß Amerika nun seinerseits auch von England verlange, 
daß dieses die vor dem Kriege allgemein anerkannten 
völkerrechtlichen Regeln der Seekriegführung in Bezug auf 
die Blockade beobachte, denn die Folge der neuen, an die 
deutschen II-Bootskommandanten ergangenen Weisungen 
1915/16. 
mußte zweifellos eine Verringerung der Wirksamkeit des 
Tauchbootskrieges sein, aus der die Engländer in erster 
Linie Nutzen zu ziehen vermochten. 
Nach übereinstimmenden Berechnungen halbamtlicher 
Organe und privater Kreise stellte sich Ende Juni 1916 die 
Verlustziffer des I.Halbjahrs für unsere Gegner wie folgt: 
Im Laufe des Monats Jänner waren rund 20 000, im 
Februar rund 40000 Tonnen feindlichen Schiffsraums 
vernichtet worden. Im Laufe des Monats März wurden etwa 
50 feindliche Handelsschiffe mit rund 207000 Tonnen, 
davon etwa 75000 Tonnen durch v-Boote versenkt, dazu 
kamen noch 2 Hilfskreuzer von zusammen 18 ovo Tonnen, 
die ja auch der Handelsflotte entnommen sind. 
Im Monate April 1916 sind 96 feindliche Handelsschiffe 
mit rund 225 000 Tonnen durch deutsche und österreichisch-- 
ungarische Unterseeboote versenkt worden oder durch Minen 
verloren gegangen. 
Im Mai wurden durch österreichisch-ungarische und 
deutsche Unterseeboote und Minen 56 Schiffe der Verbands-- 
mächte mit einem Bruttotonnengehalt von 118 200 Register-- 
tonnen versenkt. 
Im Juni verloren die Feinde 98 Schiffe von 136000 
Brutto-Registertonnen. 
Zählt man die am Ende des Jahres 1915 versenkten 
Dampfer hinzu, so ergibt sich, daß seit Beginn des Krieges 
bereits mehr als 950 britische Schiffe, die eine Ladefähigkeit 
von drei MillionenTonnen besaßen, zu Grunde 
gegangen waren. 
Wenn man erwägt, daß England bei Kriegsbeginn über 
11 ovo Schiffe von über 400 Tonnen besaß, von welchen 
die Admiralität 2000 bis 3000 für Flotte und Heeres-- 
zwecke in Anspruch nahm, so blieben für den Handel etwa 
8530 übrig. Die Verluste des Krieges sind daher auf diese 
Ziffer zu beziehen. Sie betrugen also 14 Prozent des für den 
Handel verfügbaren Schiffsraumes. 
Wenn man dann weiter in Betracht zieht, daß eigentlich 
nur die Dampfer über 3000 Tonnen für die Seezufuhren 
Englands wirksam in Betracht kommen, deren es anfangs 
1916 etwa noch 6000 gegeben haben mochte, so erhöht sich 
die Tonnageeinbuße von rund 1100 Schiffen mit 3 Millionen 
Tonnen prozentuell auf 18 bis 19 Prozent ober rund einem 
Fünftel. Daß dies mit der Wirklichkeit gut übereinstimmte, 
beweisen wohl die sich rasch mehrenden Anzeichen wachsender 
Angst und Sorge auf der Gegenseite, wo bald öffentlich 
zugestanden wurde, daß Englands Handelsmacht zur See 
im Sinken begriffen sei. 
Allerdings vermochte sich England an den Schiffen der 
anderen Nationen einigermaßen schadlos zu halten, denn 
bis 1. Juni 1916 hatte man in England 96 feindliche Schiffe 
als gute Prisen erklärt. 42 davon wurden verkauft, der 
Rest in eigene Verwendung genommen. Die Gesamttonnage 
der verkauften Schiffe betrug 60000, die der requirierten 
56162 Tonnen. Aus dem Verkauf von Schiff und Ladung 
wurden 7 850 000 Pfund Sterling Erlös erzielt. 
Trotzdem ging der Überseehandel fühlbar zurück, während 
die Schiffswerften den wachsenden Anforderungen nicht 
nachzukommen vermochte«. 
Ende Juni befanden sich zwar 424 Handelsschiffe mit 
einer Gesamttonnage von 1% Millionen Tonnen im Bau, 
aber der Bau schritt nur langsam vorwärts. 
In England begann man endlich einzusehen, daß Deutsch-- 
land nach Niederwerfung seiner kontinentalen Gegner den 
Einsatz von 200 bis 300 Tauchbooten mit 6000 bis 12 000
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.