Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

432 Seekrieg 
Das italienische Marineministerium veröffentlichte Mitte 
Juni, daß außer den bereits zugestandenen Verlusten in der 
Handelsflotte, in jüngster Zeit auch noch die italienischen 
Handelsdampfer „Herkules", „Australia", „Erminia", 
„Rita" und „Moravia" versenkt worden seien, woraus 
sich ergab, daß die Handelsmarine Italiens in den letzten 
Wochen einen Gesamtverlust von zwölf Damfpern erlitten hatte. 
Ein Geschwader von Seeflugzeugen hat dann in der Nacht 
vom i?. auf den 16. Juni neuerlich die Bahnanlagen bei 
Porto--Gruaro und Latisana und die Bahnstrecke 
P ort o-Gr uaro—Latisana, ein zweites Geschwader 
Bahnhof und militärische Anlagen von Motta di Livenza, 
ein drittes die feindlichen Stellungen bei Monfalcone, 
San Canzian, Pieris und Besbrigna erfolgreich 
mit Bomben belegt, mehrere Volltreffer in Bahnhöfen und 
Stellungen erzielt. Starke Brände wurden beobachtet. Diese 
Angriffe richteten sich gegen die Anmarschlinie der italienischen 
Reserven der Jsonzofront und die unweit der Hochfläche von 
Doberdo gelegenen Sammelpunkte. 
In einer italienischen amtliche» Statistik über die im Mai 
durch unsere Unterseeboote versenkten Handelsschiffe, waren 
zehn italienische Dampfer von insgesamt 37000 Tonnen 
und elf Segelschiffe von 8500 Tonnen ausgewiesen, was ge- 
wiß als ein schöner Erfolg unserer I7-Bootsleute verzeichnet 
werden kann. Dafür leisteten sich unsere Feinde ungefähr-- 
liche Heldentaten, wie z. B. die Torpedierung des harmlosen 
Küstendampfers „D u b r 0 v n i k" oder wie jene des „B i 0-- 
k 0 v 0", die am 1. Juni erfolgt war. 
Der Dampfer „Biokovo", ein schon recht bejährter 
Dampfer von zzjähriger Fahrzeit, 39,4 Meter lang bei einem 
Bruttotonnengehalt von 229 Tonnen — also der typische 
Dampfer für den Küstenverkehr im engsten Sinne — war auf 
der Fahrt von Zara nach Spalato begriffen. Der 
Dampfer hatte keine Ladung, diese sollte er erst später 
halten. Die Schiffsbemannung bestand aus zwölf Köpfen, 
außer dieser befand sich ein einziger Passagier an Bord, eine 
Frau, die von Zara nach Spalato reiste. Man braucht keine 
seemännische Erfahrung zu besitze», um — auch ohne den 
Dampfer gesehen zu haben — darüber klar zu sein, daß ein 
Schiff von diesem Ausmaße und solchem Wer weder armiert, 
noch ein Truppentransportdampfer sei» konnte. Trotzdem 
wurde es am hellichten Lage zweimal, allerdings vergeblich, 
anlanciert. 
Der Dampfer wurde weder gewarnt »och angehalten, der 
Bemannung somit keine Möglichkeit gegeben sich in Sicher- 
heit zu bringen, sondern das feindliche Ii-Boot hatte ein- 
fach eine scharfe „Lancierübung gegen lebende Ziele" vor-- 
genommen! 
Am 17. Juni morgens startete eines unserer Seeflug- 
zeuggeschwader, um Venedig bei Tag zu rekognoszieren. 
Auf dem Rückflug wurden die Flugzeuge heftig verfolgt, und 
eines von ihnen erhielt einen Treffer in den Benzintank, doch 
gelang es dem Piloten im Gleitflug aufs Meer herunter- 
zugehen. Sein Verfolger kehrte um und verschwand. Bei 
hohem Seegang saßen nun die beiden Flieger hilflos im 
schwankenden Flugzeug und spähten nach Rettung aus. Unsere 
To pedoboote wollten aber scheinbar nicht kommen. Dafür 
erschien ein großer italienischer Flieger, um sich die ersehnte 
Beute zu holen. Wie sich herausstellte, war es der Komman- 
dant der venezianischen Flugzeugstation selbst. Die wehrlose» 
Flieger konnten angesichts des auf sie gerichteten Maschinen- 
gewehres nichts anderes tun, als sich ins Schicksal fügen. 
Sie wurden vom italienischen Flugzeug übernommen, welches 
aber dabei durch den hohen Seegang beschädigt wurde. Nun 
waren sie alle vier in der gleichen Lage wie vorher. Da kam 
noch ein drittes italienisches Flugzeug heran, das die vier 
Schiffbrüchigen aufnahm. Die Last war aber bei der schweren 
See zu groß, um aufsteigen zu können. Der Kommandant 
fuhr also auf dem Wasser gegen Venedig. Plötzlich kamen 
im Osten zwei Rauchsäulen in Sicht. Ein Zerstörer und ein 
Torpedoboot brausten heran. „Ecco un nostro", meinte der 
italienische Kommandant, unsere Flieger aber frohlockten inner- 
lich, denn sie hatten sofort erkannt, daß es k. u. k. Fahrzeuge 
waren. Die Italiener steuerten ihnen entgegen und machten 
sehr enttäuschte Minen, als sie, zu spät, die rot-weiß-rote 
Flagge erkannten. 
Die ganze Gesellschaft stieg an Bord unserer Fahrzeuge 
und da in eilender Fahrt weit überlegene italienische Zer- 
störer in Sicht kamen, wurden die Flugzeuge nach Weg- 
nähme der Maschinengewehre demoliert und in sausendem 
Tempo die Heimfahrt angetreten, sehr zum Ärger der Jta- 
liener, die in Gefangenschaft gerieten. 
Am 22. Juni abends griff eine Gruppe von Seeflug- 
zeugen feindliche Stellungen bei Monfalcone erfolgreich mit 
Bomben an. Am 23. früh erzielte ein Seeflugzeuggeschwader 
im Fort Nicolo und Alberoni, in der Gasanstalt, 
besonders aber im Arsenal zu Venedig mit schweren Bomben 
viele Volltreffer, die starke Brände hervorriefen. 
Einige unserer Torpedofahrzeuge beschossen am 23. Juni 
früh an der italienischen Ostküste bei Giulianova eine 
Fabrikanlage und einen fahrenden Lastzug. Durch die Be- 
schießung explodierte die Maschine des Zuges, vier Waggons 
gerieten in Brand. 
Am 23. schoß Linienschiffsleutnant B a n fi e l d nach nur 
acht Minuten, da er gegen einen zum Angriff auf Triest heran- 
fliegenden feindlichen Hydroplan aufgestiegen war, diesen 
noch über dem Meere im Luftkampf herunter. Resultat: Be- 
obachter (Italiener) tot, Pilot (Franzose) gefangen; das Flug- 
zeug „F.B. A. 12" nach Triest eingebracht. 
Der feindliche Pilot, ein französischer Fregattenleutnant, tat 
nach Ansicht B a n f i e l d s „mehr, als ein normaler Mensch 
eigentlich tun kann". Uber Hundertzwanzigmal getroffen ging 
sein Flugzeug aufs Wasser nieder. Der Motor lief aber roch 
und auch das Maschinengewehr war noch intakt. In dieser 
verzweifelten Situation auf dem Wasser schwimmend, feuerte 
der Franzose aus seinem Maschinengewehr noch wild weiter, 
obwohl die Leiche seines Beobachters auf ihn gefallen war, 
und er ergab sich erst, als ihm Linienschiffsleutuant Bau- 
f i e l d aus unmittelbarer Nähe auch das Maschinenge- 
wehr zerschossen hatte. Der Franzose wurde gefangen ge- 
nommen, sein Flugzeug mit Hilfe anderer österreichisch-unga- 
rischer Flugzeuge, die inzwischen herbeigeeilt waren, geborgen. 
Der französische Fregattenleutnant gab nach seiner Ge- 
fangennahme seiner Bewunderung für Banfield unver- 
hohlen Ausdruck. Er habe, so sagte er, nie gedacht, daß man 
so schießen könne. Mit Einwilligung Banfields schrieb er so- 
dann seinen Kameraden einen Brief, in dem er seine Ge- 
fangennahme schildert und in dem es unter anderem hieß, 
er sei „vaincu de la main d'un maitre" (besiegt von der 
Hand eines Meisters). Dieser Brief wurde von Linienschiffs- 
leutnant Banfield auf die feindlichen Stellungen bei 
Grado abgeworfen. 
Dieses ritterliche Vorgehen war der Dank für eine ahn- 
liche Handlung französischer Flieger. Sie hatten nämlich 
vor einiger Zeit bei Valona ein österreichisch-ungarisches Flug- 
zeug abgeschossen, dessen beide Insassen ins Meer fielen und
	        
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