Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

Seekrieg 1915/16. 
„Sankt Georg" 
der Abwehrkanonen flogen wir wiederholt über Venedig. 
Wir schonten aber stets bisher befehls- 
gemäß die Städte und belegten nur die militä- 
rischen Objekte mit Bomben." Natürlich suchte man in Italien 
auch unsere jüngsten Unternehmungen gegen das Küsten-- 
gebiet bei Ortona und San Vito Chietino ju 
verheimlichen, allein die Zeitungen hatten schließlich doch 
Wind bekommen und drängten auf eine Nachricht. 
Man mußte sich daher zu einer amtlichen Meldung über 
diesen neuen Vorstoß der österreichisch-ungarischen Flotte ent- 
schließen, der den Italienern die Tatkraft und die Überlegen-- 
heit derselbe», sowie die von der Monarchie errungene vorHerr- 
schende Stellung in der Adria, neuerdings vor Augen führte. 
Die Franzosen zeigten sich damals sehr erstaunt zu er- 
fahren, daß die österreichisch-mngarische Kolonne, die an der 
Küste gegen Durazzo vorrückte, auf dem Seewege verpro- 
viantiert wurde. So ist also fragte z. B. der „Temps", die 
italienische Flotte trotz der Mithilfe der französischen und 
englischen nicht Herrin der Adria? 
Unsere neuerlichen Erfolge mußt am 10. Februar sogar 
die halbamtliche „Agenzia Stefani" mit folgender 
vorsichtiger Meldung zugeben: 
„Die österreichisch-ungarische Flotte hat in den letzte» 
48 Stunden ihre Angriffe gegen unsere Streitkräfte im 
unteren Adriameere verstärkt. Am 6. Februar nachmittags 
verfolgte, im Geleit eines verbündeten Kreuzers, einer 
unserer Torpedojäger ein feindliches Flugzeug und einen 
Torpedojäger vom Typ „Huszar" und beschossen diesen, 
wobei unser Torpedojäger bis hinter die Forts von Cattaro, 
nachdrängte, die gegen ihn ein nachhaltiges, aber vergebe 
liches Geschützfeuer eröffneten. Am gleichen Tage jagte 
und beschoß ein verbündeter Kreuzer vier feindliche. Torpedo- 
jäger, zwang sie zum Rückzüge, und versuchte später 
vor Durazzo ein Unterseeboot anzugreifen, dessen 
Torpedoschuß er auswich. Am 8. d. M. g r i ff ein anderes 
feindliches Unterseeboot beim Kap Lagni zwei italienische 
Torpedoboote an, welche mit wiederholten Bombenwürfen 
antworteten, nachdem sie den Torpedoschüssen ausgewichen 
waren. Am Nachmittag desselben Tages und bei gleichen 
Umständen und Erfolgen, spielte sich ein anderer feindlicher 
Unterseebootsangriff gegen einen 
französischen Torpedojäger ab, der 
unserer Flotte beigegeben ist und an 
der albanischen Küste kreuzte." 
Die Italiener,,« ersuche n",wir 
aber „greifen an", wie zu lesen stand. 
Den Erfolg verschwieg man natür-- 
lich... Man gefiel sich vielmehr in 
Schilderungen der „ungeheueren Lei-- 
stungen" — der doch nahezu doppelt 
so starken Flotte—bei der Expedition 
Albanien, angesichts eines so 
ruynen Gegners wie des unseren. 
Sie prahlten: 
„Das ganze verschiffte und gelan- 
dete Material betrug 6900 Tonnen 
in S ch e n j i n und zo 000 Tonnen 
in anderen albanischen Häfen, wofür 
ungefähr 100 Dampfer *) verwendet 
wurden. Ein noch schwierigeres Unter- 
nehmen war die Einschiffung und der 
Transport der serbischen Truppen. 
Außerdem waren viele Tausende von 
Flüchtlingen, Frauen und Kinder versammelt und neben der 
serbischen Armee von S ch e n j i n, D u r z und Vlora fort¬ 
geführt, sowie Tausende von Kranken und Verwundeten auf 
Lazarettschiffen untergebracht worden; ferner überführte man 
eine große Zahl der von der serbischen Armee mitgebrachten 
österreichisch-ungarischen Gefangenen nach Italien. Daneben 
ist nicht zu vergessen, daß wir gleichzeitig zur Entsendung einer 
italienischen Truppenexpedition schritten, um alle diese Ein- 
schiffungen zu ermöglichen. Im ganzen wurden über 250 000 
Personen und 10 000 Pferde über die Adria transpotiert. 
(In Wahrheit ca. 60 000 Menschen und 2000 Pferde.) Diese 
so ansehnliche Bewegung von Menschen und Material verlief 
trotz der schlechten Jahreszeit und der ungünstigen Vor- 
bedingungen in den kleinen albanischen Häfen, die dem Feinde 
nahe, von unserem Ausgangshafen Brindisi aber ver- 
hältnismäßig weit ablagen, ohne ernstlichen Schaden. Die 
Gefahren durch die feindlichen Unterseeboote waren groß. 
Der Feind hat versucht, die ausgedehnte und komplizierte 
Bewegung durch fortgesetzte Betätigung von Flugmitteln, 
Minierung von Wasserzonen, häufiges Eingreifen der auf 
Kundschafterschiffe oder Kreuzer gestützten Torpedojäger- 
geschwader, und schließlich durch 19 mit Nachdruck durch- 
geführte Unterseebootsangriffe zu behindern. Alle diese 
Versuche sind, trotzdem sich die Operationen in beschränktem 
Wasser oder auf notwendigerweise vorgezeichneten Routen 
und nahe den Landungspunkten abspielten, beständig durch 
die Geleitschiffe vereitelt worden. Somit ist außer den leich- 
ten, in früheren Verlautbarungen berichteten Zwischenfällen, 
nur die Versenkung dreier kleinen Dampfer zu verzeichnen; 
zwei davon stießen auf Minen und der dritte wurde nach 
seiner Entladung torpediert. Jedenfalls kam kein einziger 
serbischer Soldat auf dem Meere ums Leben. Die italienischen 
und die verbündeten Schiffe haben jedesmal, wenn die Um- 
stände es erlaubten, den Feind entschieden und wirksam 
angegriffen. In den ersten Januartagen wurde ein österreich- 
ungarisches Unterseeboot versenkt. Zwei andere Unterseeboote 
gingen höchstwahrscheinlich in den gleichen Tagen verloren, und 
ein feindliches Wasserflugzeug wurde nahe Valona erbeutet." 
*) Auch nicht wahr, 12 genügte».
	        
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