Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

Die Seekriegsereignisse außerh 
Verteidiger änderte: Die Türken waren im stände, Munition 
im eigenen Lande in großen Mengenzu erzeugen und blieben 
nicht mehr auf den Import aus deutschen Fabriken ange- 
wiesen. Im Oktober 1915 war der Betrieb in vollstem 
Gang, waren alle Vorbereitungen getroffen und die Offene 
sive konnte im großen Stile unternommen werden. 
Mitte November fühlten die Engländer und Franzosen 
die Einkreisung bereits als unerträglichen Gürtel, der ihnen 
die Luft benahm und dessen eiserne Stachel sie zerfleischten. 
Nach dem Durchbruch unserer Truppen in Serbien war es 
möglich, die österreichisch-ungarischen 30,5 Zentimeter-Motor- 
batterien nach der Türkei zu schaffen, und deren Vernichtungs- 
werk konnte keine feindliche Feldbefestigung trotzen. Das 
Jnvasionsheer geriet in die kritischeste, trostloseste Lage; der 
schmale Uferstreifen, wohl zäh verteidigt, war auf die Dauer 
nicht zu halten. In London fanden Kriegsberatungen statt, 
die telegraphischen Rapporte flogen hin und her, man erwog 
alle Möglichkeiten, schluckte den eigenen Stolz und beschloß 
endlich, das Unternehmen aufzugeben. 
In der Nacht vom 19. auf den 20. Dezember 1915 gaben 
die Engländer ihre Stellung bei Anaforta und Ari Burnu 
auf und fuhren so still und unbemerkbar als möglich davon. 
Nur bei Sedil Bahr blieb eine kleine Besatzung zurück. 
Aber anfangs Jänner 1916 mußte auch diese Stellung 
aufgegeben werden. Der Rückzug wurde geschickt maskiert 
und erfolgte angeblich unter verhältnismäßig geringen 
Verlusten und nur kleinen Rückzugsgefechten. Die Türken 
legten augenscheinlich keinen Wert mehr darauf, auch nur 
einen weiteren Mann zu opfern, da das günstige Ende für 
ste ja auf jeden Fall unausbleiblich war. Die Siegespalme 
blieb in ihrer Hand. Andererseits konnte der englische 
Premierminister diesen Rückzug immerhin mit einiger 
Berechtigung als strategische Tat des englischen Generals 
verkünden. Allerdings ein allzu schwacher Trost nach dem 
völligen Fiasko, dem größten Fiasko, das England in diesem 
Kriege bislang erlitten hatte. 
Zwei Momente waren es, die neben der beispiellosen 
Tapferkeit der Türken den Sieg der Verteidiger bedingten: 
die Unmöglichkeit genügender Nachschübe von feiten der 
Engländer und Franzosen, und zweitens, die Überlegenheit 
der türkischen Artillerie. Angesichts dieser Tatsachen 
hatte sich die Entente schweren Herzens entschließen müssen, 
das Problem ungelöst zu lassen und sich zurückzuziehen. 
Die Gesamtlage war ja mißlich genug: Serbien war um 
diese Zeit gänzlich vernichtet, in Saloniki stand das englisch- 
französische Heer in einer unsicheren Position, Griechenland und 
Rumänien waren aus ihrer Neutralität noch nicht heraus 
getreten und selbst in Mesopotamien hatten die Engländer 
Schlappen und Niederlagen erlitten. Es blieb also nichts 
übrig, man mußte das Mißlingen eingestehen, das vergossene 
Blut verschmerzen, sich als den Besiegten erklären. Die 
Opfer waren sehr groß. Sicherlich an die 200000 Mann 
waren verloren, der Schaden an Geld und Gut, an Schiffs- 
Materialien, Munition, Proviant und Kriegsgerät unermeßlich. 
Aber das Gallipoliunternehmen war zu Ende, und damit 
für uns und unsere Verbündeten eines der glänzendsten und 
ruhmreichsten Kapitel in der Geschichte dieses weitverzweigten 
Krieges. Neben den türkischen Truppen, die Übermenschliches 
an Heroismus und Ausdauer geleistet hatten, gebührt aber 
volles Lob der Mitarbeit deutscher und türkischer Seeleute, 
österreichisch-ungarischer Großmörser und sicherlich nicht 
zuletzt der Leitung des türkischen Heeres, die sich in dem 
deutschen General Liman v. Sanders verkörperte. 
b der Adria im Jahre 1915. 413 
Über die Leistung der k. u. k. Artillerie schrieben tür- 
kische Blätter: „Seitdem die großkalibrigen öster-- 
reichisch--ungarischen Geschütze, darunter die 30,5 
Zentimeter-Mörser, in den Dardanellen angekommen sind, 
ist die Lage merklich geändert. Die feindlichen Schlachtschiffe 
entfernen sich schleunigst von der Küste, sobald die 30,5 
Zentimeter-Geschütze ihr Feuer eröffnen. Mehrere Kriegsschiffe 
sind bereits durch deren Geschosse beschädigt worden. Es 
herrscht allgemein die Ansicht, daß die Türkei jetzt endgültig 
die Oberhand gewonnen habe, nicht nur an den Dardanellen, 
sondern auch bei der persischen Bucht." 
•k •* 
* 
Wir tragen noch einige Ereignisse des Mittelmeer- 
kriegs nach: 
Am 4. November versenkte das türkische Küstenwachschiff 
„Bahrsefid" mit seiner Artillerie im Marmarameer 
südwestlich von Armudli ein feindliches Unterseeboot und nahm 
die Besatzung gefangen. Kurz darauf meldete die britische Ad-- 
miralität, daß das britische U-Boot „E 7" in den Dardanellen 
versenkt worden sei, wobei 3 Offiziere und 25 Mann gefangen 
genommen wurden. Bald darauf wurde der englische Trans- 
portdampfer „Southlands" im Ägäischen Meer von 
einem deutschen Unterseeboot torpediert und versenkt. 
Um diese Zeit verschälfte sich der Druck der Entente auf 
das unbotmäßige Griechenland, das durch eine Flotten- 
demonstratio eingeschüchtert und zur Teilnahme am Kriege 
auf Seite der Entente gezwungen werden sollte. Diese Flotte 
bestand laut feindlicher Bekanntgabe aus 40 Kriegsschiffen, 
was allerdings eine imposante Macht an schweren, mittleren und 
leichten Geschützen aller Art, sowie Kopfzahl der Mannschaften 
bedeutet hätte, wenn diese Flotte aus Hochbordschiffen gebildet 
gewesen wäre. Dies war jedoch keineswegs der Fall, sondern 
die Flotte, die hinter der Insel Ägina auf den König lauerte, 
bestand wohl aus 37 Einheiten, umfaßte aber nur 2 Kreuzer 
als eigentliche Gefechtseinheiten, dann 2 Transportschiffe und 
nicht weniger wie 33 Torpedoboote. Diese Zusammensetzung, 
namentlich aber die Anwesenheit einer so großen Zahl von 
Torpedobooten (englisch immer „Zerstörer" genannt) 
ließ tief blicken und das ganze Unternehmen als auf Ver- 
blüffung berechnet erscheinen. 
Am 18. November war für die Feinde ein neuer schmerz- 
licher Verlust zu verzeichnen, als der französische 15 000 Tonnen 
große Transportdampfer „N a t a l", der sich mit voller La- 
dung auf dem Wege von Ägypten nach den Dardanellen be- 
fand, bei Kandia von einem deutschen Unterseeboot torpediert 
und zum Sinken gebracht wurde. 
Bei der am 16. November erfolgten Vernichtung des 
englischen Truppentransportdampfers „R a m a fa n" durch 
ein österreichisch-ungarisches Unterseeboot gingen 500 Inder 
zu Grunde, für deren Rettung niemand an Bord eintrat. 
Unmittelbar darauf konnte der französische Dampfer 
„R a v i t a i l l e u r" von einem Unterseeboot versenkt werden. 
Er hatte 5000 Tonnen Raumgehalt und führte eine Kohlen- 
ladung von Malta nach Cypern. 
Dieses Schicksal teilte auch auf der Reede von Rhodus der 
französische Hilfskreuzer „I n d i e n". Dieser war von Eng- 
ländern in den Gewässern von Adalia aufgebracht worden, 
als er Kriegskontrebande beförderte. Der Kreuzer hatte eine 
Wasserverdrängung von 800 Tonnen. Die Besatzung bestand 
aus 62 Offizieren und Matrosen. 11 Mann werden vermißt. 
Und so ging es fort, indem wöchentlich 2 bis 3 große 
Schiffe auf den Meeresgrund sanken.
	        
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