Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

Die Seekricgsercignisse außcrl 
berücksichtigend, die links fechtende Abteilung einen beträcht- 
lichen Vorsprung erreicht hatte. Um 7 Uhr vormittags hatten 
die ?. und 6. Gurkhas, die zur links vorgehenden Abteilung 
gehörten, die Hauptgruppe nordöstlich von Tschunuk Bair 
erreicht, während auf ihrer linken Seite die 14. Sikhs in 
Fühlung mit der 4. australischen Brigade an der südlichen 
Wasserscheide von Asma Dere gelangt waren. Die 4. austra- 
lische Brigade empfing Befehle, ein halbes Bataillon zurück-- 
zuhalten und mit dem Rest ihrer Streitkräfte, vermehrt um 
die 14. Sikhs, die Höhe 305 zu stürmen. Inzwischen jedoch 
hatte sich der Widerstand des Feindes verstärkt, und um 
9 Uhr vormittags wurde der Angriff der rechten Sturm- 
kolouue zum Stillstand gebracht, so daß jeder Gedanke eines 
weiteren Vordringens für den Augenblick aufgegeben 
werden mußte. 
Im Laufe des Nachmittags wurden Verstärkungen von 
Sari Bair herangebracht, und die Truppen sodann für ein 
neues Vorgehen in drei Kolonnen gegliedert. Der Angriff 
war auf 4 Uhr 15 Minuten morgens angesetzt. Bei der ersten 
Dämmerung sahen Beobachter Gestalten sich gegen Tschunuk 
Bair bewegen. Waren es unsere eigenen Leute oder waren 
es Türken? Die Ferngläser wurden eifrigst gerichtet, das Licht 
wurde stärker, man sah Leute von unserer Seite die Höhe er- 
klimmen, es waren unsere Männer: die Höhe war unser! 
Auf der rechten Seite stürmt General Iohnstons Ab- 
teilung, an der Spitze das Wellingtonbataillon, den Abhang 
hinan. Nichts konnte sie hemmen, mit einem letzten entschei- 
denden Stoß setzte sie sich auf der Südwestböschung und auf 
dem Kamm des Hauptgipfels fest, bekannt als Höhe Tschunuk 
Bair. Das Feuer war so heftig, daß die Truppen keine Ge- 
legenheit hatten ihre Gräben tiefer als ungefähr 6 Zoll zu 
graben, und dort hatten sie Angriff auf Angriff zu widerstehen. 
Im Verlaufe dieser Gefechte wurden alle Offiziere und die 
meisten Unteroffiziere getötet oder verwundet, so daß das 
Bataillon mittags aus kleinen Gruppen, die von Fähnrichen 
oder Gemeinen befehligt wurden, bestand. Es mögen aus der 
Theorie und Praxis noch so viele Beispiele für die Ansicht 
angeführt werden, daß die Reihen und Glieder eines Heeres 
nicht lange den Druck eines geschlossenen Angriffes ertragen 
können, wenn sie nicht durch das Beispiel ihrer Offiziere 
mit Vertrauen erfüllt werden. Doch hier gab es einen Augen- 
blick, wo ein Bataillon der Armee regelrecht von Mittag 
bis Sonnenuntergang ohne irgend einen Offizier kämpfte. 
Im Zentrum bewegten sich die Z9>Jnfanteriebrigade und die 
29. indische Brigade längs des Wasserlaufes. Der rechte 
Flügel ging südlich der Farm bei Tschunuk Bair vor. Das 
Feuer des Feindes war so mörderisch, daß nur geringe Fort- 
schritte gemacht werden konnten, obgleich etwas Boden ge- 
wonnen wurde. Auf dem linken Flügel rückte die 4. australische 
Brigade von Asma Dere gegen die unteren Abhänge von 
Audul Rabmann Bair vor mit der Absicht, sich nach rechts 
zu wenden. Arglistig aufgestellte Maschinengewehre und stark 
verschanzte Jnfanteriemengen waren auf diese Bewegung 
vorbereitet und machten das Vordringen der Brigade daher 
unmöglich. Schließlich mußten bei dem Herannahen starker 
feindlicher Kolonnen die tatsächlich umringten Australier, 
die bereits Verluste von über 1000 Mann erlitten hatten, 
auf ihre ursprüngliche Stellung zurückgezogen werden. Hier 
hielten sie stand, und trotzdem die Leute halb tot vor Durst 
und Müdigkeit waren, wiesen sie Angriff auf Angriff starker 
türkischer Kräfte blutig ab. 
Während der Nacht vom 9. auf 10. August wurden die 
Neuseeländer und die neuen Armeetruppen bei Tschunuk 
>b der Adria im Jahre iyi?. 411 
Bair abgelöst. Drei Tage und drei Nächte durch waren sie 
unaufhörlich im Gefecht gewesen. Sie waren halb tot vor 
Ermüdung. Ihre Verbindungslinien gingen von der 
Seeniederung aus, liefen quer durch weglose Erhebungen 
und Schluchten bis zu einer Höhe von 800 Fuß, und der 
ganze Weg war dem Artilleriefeuer ausgesetzt. Es wurde 
deshalb eine gebieterische Pflicht, sie mit genügendem Proviant, 
Wasser und sonstigem Bedarf zu versehen. Zu diesem Zwecke 
wurde es notwendig, sie zurückzunehmen. Tschunuk Bair, 
das sie so tapfer gehalten hatten, wurden zwei Bataillonen 
der iz. Division übergeben, die durch das 10. Hampshire- 
regiment mit den Truppen bei der Farm in Verbindung 
standen. Die zwei Bataillone, die bestimmt waren, Tschunuk 
Bair zu halten, waren das 6. Royal North Lancashire und 
das ?. Wiltshire. Das erste kam rechtzeitig an und besetzte 
die Gräben. Sogar in der Dunkelheit erkannte der Komman- 
dant, wie gefährlich diese Gräben gelegen waren, und er 
begann sofort Beobachtungsposten aufzustellen und die 
Stellungen nach Möglichkeit zu verstärken. Aber es wurde 
ihm hierzu nicht allzuviel Zeit gelassen. Das zweite Bataillon 
wurde durch das schwierige Gelände aufgehalten. Es 
erreichte den Rand des Schützengrabens erst um vier Uhr 
vormittags und mußte dann in einer irrtümlicherweise für 
gedeckt gehaltenen Stellung liegen. Bei Tagesanbruch am 
Dienstag, den 10. August, machten die Türken einen großen 
Angriff von der Linie Tschunuk Bair—Hügel Q gegen diese 
zwei Bataillone, die zwar an Zahl, aber nicht an Geist ge- 
schwächt waren. Zuerst wurden unsere Leute durch die gesamte 
feindliche Artillerie beschossen, und dann wurden sie ? Uhr 
30 Minuten durch eine sehr große Kolonne angegriffen, die 
aus einer vollständigen Division bestand. Die North- 
Lancashireleute wurden einfach in ihren schwachen Gräben 
durch das Gewicht der feindlichen Übermacht überwältigt, 
während die Wiltshire zumeist buchstäblich vernichtet wurden. 
Die schwere Masse des Feindes griff den Kamm an, drehte 
die rechte Flanke unserer Linie herab, umschwärmte die 
Hampshiretruppen und General B a l d w i n s Reihen, 
die zurückweichen mußten und sich nur unter großen Verlusten 
aus dem Gefecht ziehen konnten. Nun war die Reihe an uns. 
Die Kriegsschiffe, die neuseeländische und australische Artillerie, 
die indische Artilleriegebirgsbrigade und die Königliche 
69. Feldartillerie erhielten die Gelegenheit zum Eingreifen. 
Als die aufeinanderfolgenden dichten türkischen Linien die 
Böschung der Kuppe erreichten, wurden Löcher in ihre Reihen 
gerissen und ein Regen von Eisen überschüttete sie, als sie 
versuchten, die Lücken wieder zu schließen. Und nicht nur 
an dieser Stelle mußten die Türken für die Wiedereinnahme 
des beherrschenden Kammes teuer bezahlen. ... 
Zur gleichen Zeit wurden starke feindliche Kräfte gegen die 
Farm und gegen unsere nordöstlichen Stützpunkte geworfen, 
wo sich so tödliche Kämpfe entspannen, daß sie als der Gipfel- 
punkt des viertätigen Ringens auf der Kuppe angesehen 
werden können. Teile unserer Linie wurden durchbrochen 
und die Truppen glatt den Hügel hinabgeworfen. Am Fuße 
des Hügels wurden die Leute wieder gesammelt durch Stabs-- 
kapitän Street, der dort den Transport von Wasser und 
Proviant überwachte. Ohne Worte, ohne Zögern folgten 
sie wieder zurück, wo sie wieder in jene Reihe von Kämpfen 
untertauchten, in denen Generale in den Reihen fochten und 
die Leute ihre Waffen fortwarfen, und einander an der 
Kehle packten. Eine so erbitterte Schlacht kann schwer be-- 
schrieben werden. Die Türken kamen wieder und wieder, 
sie fochten prächtig, den Namen Gottes anrufend. Unsere
	        
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