Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

408 Seekrieg 
Zu den Erklärungen Asquiths vom 14. Juli im Unter-- 
Hause über die englischen Verluste an den Dardanellen, die 
bis zum zi. Mai 39000 Mann und 1753 Offiziere betrugen, 
bemerkte die türkische Presse, daß diese Ziffer bis zum 1. Juli 
sich um mindestens 50 Prozent erhöht habe. In einem ahn; 
liehen Umfang bewegten sich auch Frankreichs Verluste. 
Zu diesenVerlusten treten noch der Untergang von 9Schlacht¬ 
kreuzern, mehreren Torpedo-- und Unterseebooten sowie 
Transportschiffen, ferner die ernste Beschädigung einer An- 
zahl von Dreadnoughts und der Verbrauch ungeheuerer 
Mengen von Munition. 
Die wichtigste Einbuße jedoch, die England und Frank- 
reich an den Dardanellen erlitten, und die der Berechnung 
dieser Länder noch entgeht, war die Minderung des militä¬ 
rischen Ansehens, was die Osmanen ganz besonders freudig 
registrierten. * * 
{ * 
Immer mehr bildete sich der Kampf an den Darda- 
netten zu einem Stellungskrieg aus, der den französisch-- 
englischen Angreifern zwar manche kleine Erfolge bescherte, 
aber in dem doch im ganzen und großen die Türkentruppen 
ihre Stellungen behaupteten. 
Eine knappe tagebuchartige Übersicht mag dies beweisen: 
22. Mai. Zurückweisung eines Angriffs bei Sedil Bahr 
mit feindlichen Verlusten von 4000 Mann. 
25. und 26. M a i. Schwaches Geschütz- und Gewehr- 
feuer bei Ari Burnu und Sedil Bahr. Erbeutung von vier 
gepanzerten Schleppkähnen. 
28. Mai. Einnahme von befestigten Verschanzungen 
der Verbündeten bei Ari Burnu. Vordringen türkischer 
Abteilungen bei Sedil Bahr. 
29. Mai. Wirksame Beschießung der englischen Truppen 
durch die anatolischen Batterien. 
30. Mai. Erfolgloser Ansturm gegen die türkischen 
Stellungen bei Ari Burnu. 
4. I u n i. Britische Streitkräfte greifen bei Sedil Bahr 
an, werben aber durch Gegenangriffe zurückgetrieben, von 
den anatolischen Küstenbatterien beschossen. Sie erleiden 
sehr schwere Verluste und büßen 17 Maschinengewehre ein. 
6.-9. Juni. Beschießung der englisch-französischen 
Schützengräben durch die anatolischen Batterien. 
10.—11. Juni. Vergebliche Nachtangriffe der ver- 
bündeten Truppen bei Ari Burnu und Sedil Bahr. 
14. Juni. Nächtlicher Brand im Lager, durch türkische 
Artillerie verursacht. Eindringen von kleinen Crkundungs- 
Patrouillen in die Schützengräben der Verbündeten. Bomben- 
würfe türkischer Flieger auf die Inseln Jmbros und Lemuos. 
16. I u n i. Beschießung der feindlichen Artillerie- 
stellungen durch türkische Küstenbatterien. 
19. I n n i. Die türkischen Truppen weisen einen Angriff 
gegen Sedil Bahr mit Verlusten für den Feind ab. Kolonnen 
des Feindes werden von den asiatischen Batterien wirksam 
beschossen. 
21. und 22.Juni. Schwache Geschütz- und Gewehr- 
kämpfe bei Ari Burnu. Zurückweisung eines englischen 
Angriffes bei Sedil Bahr. 
25. I u n i. Neuerliche Angriffe auf Sedil Bahr, die aber 
erfolgreich abgeschlagen wurden. 
28.1 u n i. Besonders erbitterte Kämpfe bei Sedil Bahr 
und Ari Burnu. Mehrstündiges Artillerieduell. Sturm der 
feindlichen Infanterie, der aber unter großen Verlusten 
abgeschlagen wurde. Gegenoffensive der türkischen Fuß- 
truppen, die zwei Schützengräben der verbündeten Streitkräfte 
1915/16. 
besetzten, gegen 1000 Tote der englisch-französischen Truppen. 
Der französische General Gonrand schwer verwundet. 
1. I u l i. In der Nacht zum 1. Juli werden Angriffe 
gegen die türkischen Verschanzungen bei Sedil Bahr und Ari 
Burnu blutig abgewiesen. Die bis an die Meerenge vorge- 
schobenen türkischen Batterien eröffnen am Abend des 1. Juli 
ein überraschendes Feuer auf das Lager der verbündeten 
Truppen, erzielten gute Ergebnisse und brachten die feindlichen 
Batterien zum Schweigen. 
2.—13. Juli. Andauern der Schützengrabenkämpfe 
unter teilweiser Mitwirkung der türkischen Artillerie. 
13. I u l i. Großer französisch-englischer Angriff bei Ari 
Burnu und Sedil Bahr. Trotz Verschwendung von 60 000 
Granaten erreichten die verbündeten Truppen keinen Erfolg 
und mußten unter schweren Verlusten zurückgehen. 
15.1 u l i—8. August. Schützengraben- und Artillerie- 
kämpfe ohne entscheidenden Erfolg. 
Über die Kämpfe der letzten Wochen brachte die Athener 
Zeitung „Embros" den folgenden Bericht, der ein krasses 
Bild der ungeheuren Schwierigkeiten wiedergibt, gegen die die 
englisch-französischen Truppen bisher ohne nennenswerten 
Erfolg angekämpft haben: 
„Jeden Tag von Sonnenaufgang bis zur Abenddämme- 
rnng wird mit unbeschreiblicher Wildheit blutig gekämpft, 
um die Seelen von Tapferen massenweise in den Hades zu 
befördern, die Erde mit Blut zu tränken, die Grüfte zu 
überschwemmen, die Höhlen mit Blut zu füllen, das schonuug- 
und planlos fließt. Diejenigen, die an die Front gebracht 
werden, wissen, daß sie ihr Golgatha besteigen: gejagt von 
der Not und von dem Staatsegoismus, ohne Ideale und 
ohne den Trost, eine patriotische Pflicht zu erfüllen. Die 
ganze Halbinsel von Gallipoli wurde in ein unheimliches 
Labyrinth verwandelt, in eine kolossale Mine, die den Tod 
ausspeit. Seit die Verbündeten gelandet sind, ist es ihnen 
nicht gelungen, auch nur einen Zoll vorwärts zu kommen. 
Sie haben Landungen auf vier verschiedenen Punkten 
versucht und bemühen sich, die Türken zurückzuwerfen. 
Aber die natürliche Beschaffenheit der befestigten Höhen 
und die vernichtenden Geschütze der Verteidiger gestatten 
den Verbündeten nicht nur nicht vorzurücken, sondern nicht 
einmal sich zu bewegen. Die Türken kämpfen in gedeckten 
Stellungen, indem sie die vollkommensten Werke der Ver- 
fchanzungsknnst benützen. Der Geschoßregen bringt ihnen 
wohl Schaden, aber vertreibt sie nicht. Bedeckte automatische 
Batterien schützen sie, und Verschanzungen von unbekanntem 
System, labyrinthartig und trügerisch, gestatten zahlreichen 
Truppen, von einem Punkt zum andern sich so zu bewegen, 
daß die Verbündeten glauben, mit gesicherten Flanken zu 
kämpfen, während sie sich plötzlich rücklings umklammert und 
umzingelt sehen. Die bisher von den Verbündeten nach 
Gallipoli gesandten Truppen erreichen 160 000 Mann. Ihre 
Verluste an Toten und Verwundeten belaufen sich auf 
85 000 Mann." 
Und ein amerikanischer Zeitungsberichterstatter, der in 
den ersten Augusttagen aus Konstantinopel zurückgekehrt war, 
kennzeichnete die Kampfeslage auf der Halbinsel von Gallipoli 
mit folgender Darstellung: 
„Die Verbündeten sind von der asiatischen Seite voll- 
ständig vertrieben. Bei dem Versuche, das auf der Halbinsel 
von Gallipoli gelegene Krithia zu erreichen, haben sie Tausende 
und Abertausende verloren und sind wieder an das Ende 
der Halbinsel zurückgeworfen worden. Dabei sind die türki¬ 
schen Forts gar nicht beschädigt worden. Sie liegen so tief,
	        
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