Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

Die Seekriegsereignisse außer! 
schrecklichen Kugelregen weg. Es wurde ein beträchtliches 
Vorrücken gegen Krithia erreicht, aber schließlich war man 
an einem Punkte angelangt, wo es unmöglich war, vorwärts 
zu kommen. Die Hoffnung mußte aufgegeben werden, 
Krithia unmittelbar zu erstürmen. Die Franzosen hatten 
die gleiche Erfahrung gemacht. Schließlich setzte die Dunkelheit 
dem Kampf ein Ende. Wir hatten überall nur ein wenig an 
Boden gewonnen, aber das Ziel des Kampfes nicht erreicht." 
Nach weiteren Kämpfen war es aber den Verbündeten 
endlich doch gelungen, bei Ari Burnu neue Truppen zur Ver* 
stärkung ihrer dort mit Vernichtung bedrohten, immer noch 
bedeutenden Truppenreste zu landen. Aber auch die mit den 
neuen Kräften unternommenen Angriffe blieben erfolglos, 
und am 14. Mai wurden alle feindlichen Stellungen von den 
anatolischen Batterien heftig beschossen und dadurch stark 
erschüttert. Trotzdem versuchte der französische Panzer- 
kreuzer „Jeaune d'Are" bei Fenique an der anatolischen 
Küste Truppen zu landen, die aber bald vor den stürmischen 
Angriffen der Türken die Flucht ergreifen mußten. Am 
15. Mai wurde der Landungsversuch, diesmal bei Kum 
Kalesst, wiederholt, aber mit ebenso geringem Erfolge wie am 
vorhergegangenen Tage. Gleichzeitig wurden aber auch neue 
heftige Angriffe der Verbündeten bei Sedil Bahr zum Stehen 
gebracht, und es gelang sogar den Türken, den linken Flügel 
der angreifenden Truppen ins Meer zu drängen, so daß nur 
noch der rechte Flügel eine letzte Anhöhe an der Küste fest-- 
halten konnte. Der Verlust der Verbündeten wurde auf 
Zv 000 Mann geschätzt. 
Am 19. Mai griffen die Türken die befestigten Stellungen 
des Feindes bei Ari Burnu an und jagten die Truppen 
des rechten und linken Flügels aus ihren vorgeschobenen 
Stellungen. Am Nachmittag versuchte der Feind einen 
Gegenangriff, wurde aber mit sehr starken Verlusten zurück- 
geschlagen. Das gleiche Schicksal erfuhr ein Angriff der 
Verbündeten, den sie in der Nacht vom 18. zum 19. Mai 
bei Sedil Bahr unternommen hatten. Sie mußten auch 
ihre Artilleriestellungen decken, da diese von den türkischen 
Küstenbatterien wirksam beschossen worden waren. 
So konnte der Sonderberichterstatter des Wolff-Bnreaus 
nach diesen letzten Kämpfen darauf hinweisen, daß die eng- 
lische Stellung bei Sedil Bahr ständig verkleinert werde 
und nur noch etwa zwei Kilometer von der Südspitze ins 
Land reiche. Dort stehe auf den ersten Höhen in mehrfach 
befestigten Feldstellungen die türkische Armee in numerisch 
großer Übermacht. Sie beherrsche von da aus vollständig 
in rückwärtiger Richtung die Halbinsel Gallipoli. Die zweite 
Stellung der Verbündeten befinde sich bei Ari Burnu, reiche 
etwa einen halben Kilometer landeinwärts und sei von über- 
legenen türkischen Streitkräften umklammert. Ein ver- 
zweifeltet Durchbruchsversuch einer englisch-australischen 
Landungsabteilung sei mit dem Verluste von 1500 Mann 
dieser Truppen zurückgeschlagen worden. Auch die französische 
Landung in Kum Kalesst habe mit alsbaldiger Vernichtung 
und Vertreibung der französischen Truppen geendet. 
Dazu kamen die Verluste zur See. 
Ende Mai wurde bekannt, daß der türkische Torpedo- 
jäger „Muarinet - Millije" das englische Schlachtschiff 
„Goliath" torpediert habe. Von den 1000 Mann seiner 
Besatzung konnten nur wenige gerettet werden. 
Inzwischen erfuhr die schrittweise Besetzung der im 
griechischen Besitz befindlichen Ägäischen Inseln durch die 
Engländer eine wesentliche Erweiterung. Bald hatten die 
Engländer von der Insel S k y r 0 s, die zur Gruppe der 
b der Adria im Jahre 1915. 407 
nördlichen Sporaden gehört, Besitz ergriffen. Diese Be- 
setzungen waren keineswegs lediglich durch militärische Rück- 
sichten bedingt. 
Am 25. Mai konnte das englische Linienschiff „T r i u m p h" 
und am 27. Mai das englische Linienschiff „M a j e st i c" nn- 
weit Sedil Bahr durch Torpedos versenkt werden. 
Am zi. Mai versenkte ein deutsches Unterseeboot bei den 
Strati-Jnseln einen englischen 12 000 Tonnen-Hilfskreuzer, 
von dessen 800 Mann nur 120 Mann durch den englischen 
Dampfer „S y p" gerettet und nach der Bucht von Mudros 
gebracht werden konnten. Am 2. Juni torpedierte ein deut- 
sches Unterseeboot einen englischen Linienschiffskreuzer bei 
Tenedos. 
Angesichts aller dieser Hiobsposten verschärfte die En- 
tente ihren, von maritimen Maßnahmen härtester Art unter- 
stützten diplomatischen Druck auf Griechenland, um 
diesen kleinen neutralen Staat zur Teilnahme an dem 
Kriege an ihrer Seite zu zwingen. 
In der ersten Juni-Woche traf das deutsche „u 51" 
aus Wilhelmshaven in Konstantinopel ein. 
Während dieser Reise hat es vor S a n-R e m 0 den 
englischen Dampfer „Gaffa" mit 6000 Tonnen englischer 
Kohle, das italienische Segelschiff „Dolmetta" und zwei 
weitere italienische Segelschiffe versenkt. Später griff es 
den englischen Kohlendampfer „Eledmoor" an, der beschädigt 
wurde, jedoch Genua erreichen konnte. 
In den ersten Julitagen nahm ein griechisches Kriegs- 
schiff in der Nähe der Insel Paxos einen kleinen Dampfer 
wahr, der die griechische Handelsflagge führte, dem Kom- 
Mandanten des Kriegsschiffes aber verdächtig schien, wes- 
halb der Dampfer angehalten und untersucht wurde. Der 
Dampfer hieß „Sofia", führte eine Scheinladung von 
Heu, darunter aber als eigentliche Ladung Benzin. Die 
erste Angabe des Dampferkapitäns, er versorge österreichisch- 
ungarische Unterseeboote mit Benzin, war, — ganz ab- 
gesehen davon, daß ja auch ein solches Vorgehen von dem 
griechischen Kriegsschiff nicht hätte geduldet werden können 
— durch die keineswegs in Ordnung befindlichen Schiffs- 
papiere noch weiter unglaubwürdig gemacht, infolgedessen 
eskortierte das griechische Kriegsschiff den Dampfer „Sofia" 
nach Korfu, um dort eine eingehende Untersuchung ein- 
leiten zu können. Da entschloß sich der Dampfer im letzten 
Momente Farbe zu bekennen. Er deklarierte sich als der 
italienischen Marine angehörig, mit Personal der italienischen 
Kriegsmarine bemannt, und hißte statt der bis dahin ge- 
führten griechischen Handelsflagge die italienische Kriegsflagge. 
Uber die Ursache dieses die italienische Kriegsmarine 
auf das schwerste kompromitierenden Vorgehens kann 
man sich vorläufig nur Vermutungen bilden. Entweder 
sollten nach dem Muster der geglückten Vernichtung des 
„U 29" durch das, eine neutrale Flagge führende Handels- 
schiff, österreichisch-ungarische oder deutsche Unterseeboote ange- 
lockt werden, um dann plötzlich von dem in ein italienisches 
Kriegsschiff transformierten Dampfer in den Grund ge- 
schössen oder gerammt werden; oder wollte das Kriegs- 
fahrzeug irgendwo an der griechischen Küste ein Scheindepot 
von Benzin anlegen, sei es um unsere oder deutsche U-Boote 
in die Falle zu locken, oder im Falle des Mißlingens dieser 
Absicht noch immer den Vorteil zu haben, Griechenland 
des Neutralitätsbruches, begangen durch nachgewiesene Unter- 
stützung der Zentralstaaten, beschuldigen zu können, was ja 
durch das „entdeckte Benzindepot" an der griechischen Küste 
„Beweiskraft" erlangt hätte.
	        
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