Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

Die Seekriegsereignisse außer 
und wichtige Anlagen an der Themse ausgiebig mit Bomben 
belegt und dabei gute Wirkungen beobachtet. Außerdem 
wurden Fabrikanlagen und Hochofenwerke bei Woodbridge 
und Ipswich erfolgreich mit Bomben beworfen. Die Schiffe 
erlitten trotz starker Beschießung keinerlei Beschädigungen 
und sind sämtlich zurückgekehrt. 
Die Engländer gaben nun bald zu, daß die Deutschen Grund 
hatten auf ihre Fortschritte im Flugwesen stolz zu sein, denn 
diese Luftschiffe führten erstaunliche Dinge aus, von denen 
das große Publikum in England zuerst wenig Notiz nahm. 
Am 26. August wurde ein Stockholmer Dampfer von 
Rotterdam nach Harwich unterwegs in der Nordsee von 
einem Zeppelin angehalten. Das Luftschiff umkreiste den 
Dampfer mehrmals, ließ sich dann bis zum Mast herab und 
forderte den Schiffskommandanten auf, die Schiffspapiere 
zur Kommandobrücke zu bringen. Nach erhaltener Aufklärung 
über Ladung und Reiseziel wurde das Schiff freigegeben. Der 
Zeppelin erhob sich und verschwand in westlicher Richtung. 
Am 14. Oktober nachts besuchte neuerlich ein starkes 
deutsches Luftschiff-Geschwader die östlichen Grafschaften 
und einen Teil des Londoner Distrikts, wo zahlreiche Bomben 
abgeworfen wurden. Fünf englische Flugzeuge stiegen auf, 
aber wegen der atmosphärischen Verhältnisse vermochte nur 
eines, ein Luftschiff zu entdecken. Auch diesem gelang es nicht, 
das Luftschiff einzuholen, ehe es im Nebel verschwand. 
Alle diese Angriffe dienten dem wohldurchdachten Zweck, 
in England die nachdrücklichste Forderung des Volkes 
nach Verteidigungsmaßregeln hervorzurufen, die die Re; 
gierung zwingen sollte, große Aufwendungen an Material 
und Soldaten zu machen, die dem Schlachtfelde auf dem 
Kontinent entzogen würden. Ungeheure Aufwendungen 
waren nötig, um die Städte, die unzähligen Arsenale, die 
Magazine und die Muuitionswerke zwischen London und 
Ediuburg zu schützen, Hunderte schwerer Geschütze, große 
Vorräte an Munition, eine Flugzeugflotte und viele tausend 
Soldaten waren dadurch dem Hauptkampfplatz entzogen. 
Dem großen Geschick der die Zeppeline befehligenden 
Seeoffiziere ist es zu danken, baß nicht nur der Angriff pro- 
grammgemäß durchgeführt wurde, sondern daß auch alle 
deutschen Lenkluftschiffe unbeschädigt heimkehren konnten. 
Gegenunternehmungen mißglückten stets. 
Aus den vorstehenden knappsten Schilderungen der See-- 
kriegsereignisse des Jahres 1915 in den nordischen Gewässern 
ergibt sich für uns erfreulicherweise die unbestreitbare Tat- 
fache, daß die britische Seemacht im großen sowie im kleinen 
versagt hat. Wie anders war früher die kriegerische Be- 
tätigung der Flotte Albions! Kraft ihrer Übermacht ver- 
nichtete sie oder kaperte sie Hunderte, ja Tausende feindlicher 
Schiffe. Während der Napoleonischen Kriege erbeuteten die 
Engländer 260 große und 980 kleine Kriegsschiffe, und von 
1801 bis 1812 jährlich 2500—4000 Handelsschiffe, während 
der eigene Verlust minimal war. Zurzeit liegen die Ver- 
Hältnisse wohl ganz anders. England verlor bisher etwa 
50 Kriegsschiffe verschiedener Art mit rund zoo 000Tonnen 
Deplacement und rund 800 Handelsschiffe mit 1% Mil¬ 
lionen Registertonnen. 
Die öffentliche Meinung in England begann endlich doch 
an dem alten Glauben von ihrer Unüberwindlichkeit zu 
zweifeln, und zu der Furcht vor der Unterseebootsgefahr 
gesellte sich die Sorge vor den Zeppelinen. Dem Jahre 1916 
blieb es jedoch vorbehalten, der Welt klar zu legen, daß die 
englische Flotte auch in der großen Seeschlacht gegen die 
Deutschen zu versagen bestimmt war. 
lb der Adria im Jahre 1915. 393 
B. Die Ereignisse im Mittelmeer, vor den Dar- 
danellen und im Schwarzen Meer. 
(Im Jahre 1914.) 
Es war nicht das erstemal, daß die schmale Meerenge, 
die Asien von Europa trennt, in den Vordergrund gefchicht- 
licher Ereignisse trat. 
An dieser Stelle hatte der Perserkönig D a r i u s I. im 
Jahre 515 v. Chr. eine Brücke schlagen lassen, als er ausge- 
zogen war, um die Skythen zu unterjochen. Bei dieser Ge¬ 
legenheit geriet die damals schon blühende Stadt Byzantion, 
die Vorgängerin von Konstantinopel, in persischen Besitz, 
wurde in eine starke Festung umgewandelt und blieb lange 
ein Hauptstützpunkt der persischen Herrschaft in Europa. 
Von hier aus trat Alexander der Große seinen Siegeszug 
nach Vorderafien an, und an dieser Stelle setzten im Jahre 
1356 die Türken nach Europa über, als sie die Halbinsel 
von Gallipoli in Besitz nahmen. 
Nach der Eroberung von Konstantinopel ließ Sultan 
Mohammed il. die beiden an der engsten Stelle der 
Dardanellen gelegenen Burgen Kilid Bahr und Kale Sultanje 
errichten. Später wurden dann noch andere Befestigungen 
erbaut, die bestimmt waren, die Dardanellenstraße vor allem 
gegen das Eindringen venezianischer Schiffe zu sichern, da 
die mächtige Adriarepublik durch die Ausbreitung der 
türkischen Herrschaft in ihrem orientalischen Besitz am 
meisten geschädigt worden war und daher auf den Augenblick 
lauerte, die Macht der Osmanen zu brechen. Tatsächlich 
brachte die venezianische Flotte der türkischen Seemacht 
1499 am Dardanelleneingang eine schwere Niederlage bei 
und vernichtete sie im Jahre 1657, ohne aber Konstantinopel 
erreichen zu können. Durch die Anlage neuer Dardanellen-- 
befestiguugeu gelang es den Türken im Jahre 1694 die 
venezianische Flotte zu schlagen, und seitdem standen die 
Venezianer von dem Eindringen in die Meerengen ab. 
Ihre Nachfolger im Kampf um die Durchfahrt durch die 
Dardanellen waren die Russen, die es im Jahre 1699 durch-- 
setzten, daß ihren Handelsschiffen die Durchfahrt aus dem 
Schwarzen ins Mittelmeer gestattet werde. Nach dem 
Tode Peters des Großen aber trat das frühere Durchfahrts- 
verbot in Kraft und blieb geltend, bis 1770'ein russisches 
Geschwader unter Admiral Elphinstone in die schlecht be-- 
schützten Dardanellen eindrang und die türkische Flotte bei 
Tscheschme vernichtete. In dem Frieden von Kütschük-- 
Kainardschi (1774) gestand die Türkei Rußland die Durch- 
fahrt seiner Handelsschiffe wieder zu, und als sich die Türkei 
durch den großen ägyptischen Feldzug Napoleons bedroht 
fühlte, wurde zwischen ihr und Rußland am 23.Dezember 
1798 ein Vertrag von achtjähriger Gültigkeit geschlossen, 
durch den die Türkei auch russischen Kriegsschiffen die Durch-- 
fahrt durch die Dardanellen und den Bosporus gestattete. 
Da die Türkei 1806 gegen die Bestimmungen dieses Ver- 
träges handelte, verband sich Rußland mit England und 
erschien 1807, um Eindruck zu machen, mit einem Geschwader 
vor Konstantinopel. Der Friede von Tilsit, der Napoleon 
zum Herrn der europäischen Lage erhob, vereitelte die Wirkung 
dieser Kundgebung. Inzwischen hatte man auch in England 
einsehen gelernt, daß die Entwicklung der russischen Seemacht 
gefährlich sei, und in dem Frieden, der zwischen England 
und der Türkei 1809 geschlossen wurde, verpflichtete sich die 
Hohe Pforte, den Kriegsschiffen aller Mächte die Durchfahrt 
durch die Meerengen zu untersagen. Am 17. Juli 1840 
kam es zwischen Großbritannien, Österreich, Rußland und
	        
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