Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

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Seekrieg 1915/16. 
krieges Pola und Wilhelmshaven sichtlich mieden, die un- 
beschützten bulgarischen Häfen stundenlang stark beschossen, 
anstatt die Kriegshäfen zum Ziele des Angriffs zu nehmen, 
da ging ein einziger Ruf der Entrüstung 
durch das Land. 
Dedeagatfch zum Trümmerhaufen zu verwandeln, 
an welchem zwecklosen „Siege" sich auch italienische Schiffe 
beteiligt haben, bedeutet nach allem Vorhergegangenen eine 
Handlung, deren Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit nicht 
zu beweisen sein wird. 
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Daß die wachsenden Unterseebooterfolge der Zentrale 
mächte im Mittelmeer die feindlichen Truppentransporte nach 
der Levante ernstlich zu gefährden begannnen, so daß die 
Entente bei ihren Truppeneinschiffungen gezwungen war, mit 
diesem Gefahrenpunkt zu rechnen, beweisen folgende Vorfälle: 
Am 2. November wurde der Transportdampfer „S 0 u t h- 
l a n d" auf der Fahrt nach Alexandrien im Ägäischen 
Meer torpediert, er erreichte jedoch M u d r 0 s mit eigenem 
Dampf. Noch am selben Abend wurden die Truppen auf 
• andere Schiffe gebracht. Neun Mann wurden getötet und 
zwei verwundet, 22 Mann blieben vermißt, sie sind ver- 
mutlich ertrunken. 
Am 6. November traf der französische Postdampfer 
„Aarra" mit den Matrosen des englischen Dampfers 
„Apoll 0" an Bord zu T 0 u l 0 n ein, der von einem 
deutschen Unterseeboot versenkt worden ist. Am 9. November 
wurde der auf der Fahrt nach Port Said begriffene 
Dampfer „Firenze" von einem Unterseeboot mit öster¬ 
reichisch-ungarischer Flagge versenkt. Nachforschungen er- 
gaben, daß 96 Mann der Besatzung und 27 Passagiere 
gerettet wurden. Von 15 Mann der Besatzung und 6 
Passagieren fehlen Nachrichten. (Die „Firenze" war ein 
seit einem Jahre eingestellter italienischer Luxusdampfer von 
4000 Tonnen.) 
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Indessen kreuzte unsere Flotte in stetigem Auslug vor 
den Zufahrtshäfen Montenegros und Albaniens, 
um der nach diesen Küstengebieten abgedrängten serbischen 
Armee die Verpflegung von der Adria aus unmöglich zu 
machen. Es war dieser Wachdienst allerdings nicht ganz 
nach dem Geschmack unserer braven Marineure, die es vor- 
gezogen hätten, dem Gegner in einer Hauptaktion entgegen- 
treten zu können, allein da ihnen dies nicht beschieden war, 
so fühlten sie sich doch ganz begeistert von den Erfolgen 
der Taten, die sie in den ersten Monaten des Weltkrieges 
vollbringen durften. 
Da die italienischen Tagesblätter mit ihren heftigen 
Klagen über unsere „Barbarei", durch die bedauerlicher- 
weise auch das künstlerisch wertvolle Deckengemälde der 
dicht neben dem Bahnhofe gelegenen Venezianer 
Kirche San Maria degli Scalzi zerstört wurde, 
nicht aufhörten, und immer wieder von den Ausbrüchen einer 
mehr oder minder echten Empörung Zeugnis ablegten, sah 
man sich bei uns im Kr i eg s p r esse q u a r ti e r am 
10. November zu folgenden Feststellungen veranlaßt: 
„Seitens der italienischen Flieger wurden am 24. und 
25. Oktober, nicht nur, wie es in einem Communiquö der 
„Agenzia Stefani" vom zi. Oktober heißt, die 
Fabriken von P i r a n 0 und M u g g i a, sondern am 
25. Oktober auch die offene, unbefestigte 
Stadt T r i e st selbst, mit Bomben belegt. Insbesondere 
wurden an diesem Tage, einem Sonntage, bei Tageslicht 
auch die weitab von allen militärischen Objekten befindliche, 
von der Triestiner Bevölkerung sehr gerne und vor allem 
Sonntags sehr zahlreich besuchte Promenade von San 
Andrea bombardiert, wobei drei harmlose Spaziergänger 
getötet und viele verwundet wurden. Hiezu kommt, daß 
die italienischen Flieger am 28. Oktober und 2. November 
auf das kaiserliche Lustschloß M i r a m a r, welches gleich- 
falls weitab von jedem militärischen Objekte gelegen ist, 
Bomben abgeworfen haben. Im Gegensatz hiezu ist das von 
unseren Marinefliegern bei Nacht angegriffene Venedig, e i n 
auf der Land- undSeefeite stark befestig- 
ter Kriegshafen, der innerhalb seiner Befestigungen 
eine große Zahl wichtiger militärischer Objekte des Gegners 
enthält. Nur gegen diese Objekte, also gegen die 
Forts, das Arsenal, Fabriken und Bahnhöfe, richten sich 
unsere Fliegerangriffe, niemals abergegenirgend 
welche, kulturellenZwecken dienenden oder 
künstlerisch und historisch bedeutsamen 
Baulichkeiten, insbesondere nie gegen Kirchen, soserne 
sie nicht feindlicherfeits erwiesenermaßen für Kriegszwecke 
verwendet werden. 
Insbesondere die innere Stadt Venedig und ihre Kunst- 
denkmäler wurden von unseren Fliegern stets sorgfältig 
geschont. Daß eine Fliegerbombe die dicht neben dem 
Zentralbahnhof gelegene Kirche San Maria deglr 
Scalzi traf und beschädigte, ist ein zwar bedauerlicher^ 
bei Fliegerbombardements aber — namentlich nachts oder 
in der Dämmerung — nie zu vermeidender Zufall, für den 
kein Flieger verantwortlich gemacht werden kann." 
Am 4. November warf ein italienisches Luftschiff neuerlich 
über Schloß Mira mar Bomben ab. Dies war ein 
Racheakt besonderer Kriegshärte. Doch in welcher würdigen 
und sachlich einwandfreien Weise wurde auf unserer Seite 
dieser durch nichts zu rechtfertigende Angriff besprochen! 
Die Italiener wollen aber die Angriffe auf M i r a m a r 
und T r i e st als Vergeltungsmaßregeln für unsere Flieger- 
angriffe auf Venedig angesehen wissen. Das verdient 
folgend Erwiderung: 
Venedig ist doch eine befestigte Stadt. Von allen Seiten 
ist sie mit Forts umgürtet, Abwehrgeschütze und Maschinen¬ 
gewehre befinden sich in verschiedenen Stadtteilen, besonders 
an jenen Stellen, die am besten geeignet sind, das Luftmeer 
zu überwachen. Und das sind die Paläste und die Kirchen^ 
Amerikanische Blätter haben gleich nach Ausbruch des 
Krieges mit Italien, oder sogar noch früher, sich mit dem 
Schicksal Venedigs im Kriege befaßt. Sie erörterten 
die Möglichkeit einer Beschießung der -Lagunenstadt, und 
das Ergebnis ihrer Überlegungen war: daß sich die 
Italiener nicht wundern dürften, wenn 
das an Kunstschätzen reiche Venedig vol- 
lends zerstört würde, denn es sei ein stark 
befestigter Kriegshafen und wegen seiner großen 
Nähe an der österreichischen Küste für diese besonders ge- 
fährlich. H st e r r e i ch-U n g a r n müsse notgedrungen mit 
aller Macht daran schreiten, diesen Platz unschädlich zu 
machen. Wenn Italien eben dort starke Befestigungen 
errichtet habe, wäre es seine eigene Schuld, wenn dadurch 
die großen Kunst- und historischen Werke der Zerstörung 
ausgesetzt würden. Dies war die Ansicht führen- 
der Blätter der nordamerikanischen Union, 
eines damals noch neutralen Staates, der sich im Ver- 
laufe des Krieges sicherlich keinerlei Parteinahme zugunsten
	        
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