Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

350 Seekrieg 
Unterseeboote, das als e r st e s ein gegnerisches Torpedoboot 
vernichtete. Nun gelang die Wegnahme eines ganzen, aktions- 
fähigen feindlichen Lenkballons durch ein Torpedoboot, was 
alles zusammen eine herrliche Häufung von Rekorden bildet. 
Das italienische Luftschiff „C i t t ä d i Iesi" führt 
seinen Namen nach der Stadt Jesi am Esi n o, westlich 
von Ancona. Sie war vor dem Kriege wenig bekannt, 
gewann aber schon in den ersten Kriegstagen besondere Be- 
deutung, weil sich dort die Luftschiffhallen und Reparatur^ 
Werkstätten für Luftfahrzeuge befinden. Dorthin richtete fich 
auch gleich zu Kriegsbeginn einer der erfolgreichsten Angriffe 
unserer Seeflugzeuge. (Vgl. S. 335.) 
Ein Augenzeuge berichtete: 
„Nach der Vernichtung der „C i t t d i Ferrara" 
war eine längere Pause in den italienischen Luftkriegsunter- 
nehmungen eingetreten. Offenbar wurde an der Einschulung 
einer neuen Flugschiffbesatzung gearbeitet. Schließlich war 
man so weit. In der Nacht vom 5. auf den 6. August sollte 
also Pola angegriffen werden. Die Dunkelheit begünstigte 
das Unternehmen. Aber die Ausluger auf unseren Schiffen 
und Forts waren wachsam. Das heranfliegende Luftschiff 
wurde sofort entdeckt, und bald erzitterte die Luft vom 
Donner der Abwehrgeschütze. Die Explofionsflammen der 
Schrapnells kamen immer näher an das feindliche Luft-- 
schiff heran. Wenn ein Volltreffer erfolgt, so geht die schöne 
Kampfmaschine in Flammen auf! Aber dazu kommt es nicht! 
Das Luftschiff senkt sich plötzlich nieder. Es war offen-- 
bar vom Schrapnellhagel eingekreist worden und manches 
Sprengstück mag die Ballonhülle getroffen und Gasver-- 
luste verursacht haben. Jetzt ruht die Gondel auf der Meeres- 
fläche. Schon jagen unsere Torpedoboote heran und im Nu 
sind sie in der Nähe der köstlichen Beute; bevor die Italiener 
Zeit finden, das Luftschiff zu zerstören, find fie schon gefangen 
genommen, ersteres fast unversehrt in unseren Händen. 
Die Besatzung, drei Seeoffiziere, ein Maschinist und zwei 
Mann—werden als Kriegsgefangene abgeführt. Eines unserer 
Torpedoboote aber nimmt den gewaltigen, nunmehr wehrlosen 
Luftkreuzer in Schlepp, und bringt ihn in den Hafen von Pola. 
Vom Jnfichtkommen des Luftschiffes bis zu dessen Wegnahme 
find nur 16 Minuten vergangen. Trotz der etwa 70 bis 80 Kilo-- 
meter in der Stunde betragenden Geschwindigkeit der„Ei tf ä 
d i Jesi" war es ihr nicht gelungen, die kurze Entfernung, 
die es noch vom Angriffsziele trennte, zurückzulegen. Es 
hatte gar keine Gelegenheit gehabt, irgendwelche Schaden-- 
stiftung auch nur zu versuchen. Der feindliche Luftangriff 
war in fich zusammengebrochen, bevor er noch begonnen 
hatte. Dessen fluggeschulte Bemannung war für Italien 
verloren, und selbst wenn es auch weitere Luftschiffe nach- 
schaffen mochte, so würde die Heranbildung geübter Luft- 
schiffbesatzung immerhin schwierig und mit viel Zeitverlust 
verbunden gewesen sein. Keine der vier Verbandsmächte 
hatte es während des Friedens zu einer größeren Anzahl 
kriegsbrauchbarer Luftschiffe gebracht und alles auf diesem 
Gebiete Geschaffene trägt den Stempel des Versuches an sich. 
Vermutlich konnten wegen der geringen Zahl der Luftschiffe 
nur wenige Besatzungen ausgebildet werden, so daß der 
Verlust von zwei Luftschiffbemannungen — die der „Citta 
d i Ferrara" und „Eitts, di Iesi" — ebenso schwer- 
wiegend empfunden werden mag, wie jener der Luftschiffe selbst. 
Dieses zweite der von uns zur Strecke gebrachten italie- 
nischen Luftschiffe von 12 000 Kubikmeter war erst unmittel- 
bar bei Kriegsausbruch fertiggestellt worden und hat somit 
keine lange Lebensdauer erreicht. Schnell war aber auch der 
„Eittä di Iesi" das Handwerk gelegt, und das Ende 
dieses italienischen Luftschiffes wird eindrucksvoll das Schicksal 
der übrigen vor Augen führen, das ihrer harrt, falls sie es 
wagen sollten herüber zu kommen. 
Allein die Italiener sollten nun einmal in der Luft — 
sogar zu Hause — kein Glück haben, denn am 7. August 
wurde in Italien durch die Agenzia Stefani bekannt, daß 
noch ein drittes Luftschiff, „Volt a", bei Antritt einer An- 
griffsfahrt auf die österreichische Küste, wiederum „aus 
Gründen, die nicht festgestellt werden konnten", ins Meer 
gefallen und zu Grunde gegangen sei. 
Die Erkundungs- und Vergeltungsfahrten, die die 
italienische Luftflotte über dem österreichischen Kriegshafen 
Pola beabsichtigte, wurden von ihr demnach recht teuer bezahlt. 
Das Luftschiff „Volt a" ist mit dem am 8. Juni ver- 
nichteten Luftkreuzer „Eittä di Ferrara" der dritte 
schwere Verlust, den die italienische Luftflotte seit Kriegs- 
beginn betroffen, ein nicht gewolltes Ergebnis der jüngsten 
Angriffsfahrt der feindlichen Luftflotte, die den Italienern 
aber wenigstens die sichere Nachricht einbrachte: daß die 
österreichischen Batterien immer und 
überall wachsam wären! 
•k ★ 
Von italienischer Seite wurde in den Tagesblättern 
immer wieder behauptet, daß die italienischen Luftschiffe 
mit Erfolg Pola, speziell unser Seearsenal, mit Bomben 
belegt hätten. Diese unrichtigen Mitteilungen bedürfen 
daher einmal der Feststellung der wirklichen Geschehnisse. 
Tatsache ist, daß uns bis Mitte August drei Luftschiffe mit 
ihrem Besuch beehrt haben. 
Das erste und einzige dem es gelang, über Pola selbst 
zu kommen, hat durch Bombenwurf die Mauer eines Hauses 
leicht beschädigt, und zwei Frauen, und zwar wirklich nur 
zwei Frauen, einen Nervenschock beigebracht, von dem sie stch 
bald erholten. 
Dem zweiten Luftschiffe gelang es schon nicht mehr, bis 
zur Stadt oder zu den militärischen Anlagen vorzubringen. 
Sogleich bemerkt, angeleuchtet und angegriffen, umkreiste 
es in weiter Entfernung die Seefestung und entledigte sich 
seiner Bomben über Feld und Wald der Umgebung, ohne 
auch nur den geringsten Schaden anzurichten. 
Der dritte Besuch der „Eittä di Jesi" endete wie 
oben geschildert, noch kläglicher. 
Die italienische Verlustliste zur See vergrößerte sich da- 
gegen in ziemlich raschem Tempo, denn Hand in Hand 
arbeiteten die verschiedenen Waffengattungen unserer Kriegs- 
marine zusammen, um dem Feinde, wo es ging, Abbruch 
zuzufügen, ohne die schwachen eigenen Kampfmittel all- 
zusehr zu gefährden. Unterseeboote und Minen gehen den 
feindlichen Schiffen ebenso zu Leibe, wie bei den häufigen 
Besuchen der italienischen Küste die Befestigungen von der 
Flotte heimgesucht und durch Geschützfeuer zerschossen 
werden. Dabei spielen auch unsere Seeflugzeuge eine be- 
deutende Rolle, indem fie die Flotte in dem Vernichtungs- 
werk bestens unterstützen. Dieses Zusammenwirken zeitigte 
daher auch schöne Erfolge. Man hat bei uns stets viel von 
unserer Flotte gehalten, obwohl man fich ihrer numerischen 
Schwäche bewußt war; nunmehr zeigte es fich aufs neue, 
daß dieses Vertrauen auf festem Grunde ruht und daß in 
jedem Zweig der Kriegsmarine durch emsige Friedensarbeit 
in trefflicher Weise die Vorbereitungen für den Erfolg im 
Kriege geschaffen waren.
	        
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