Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

Unsere Offcnst 
fortgeschafft wurde, zählte ein Berichterstatter am zweiten 
in Astago noch immer zoo Ballen Reis. Auch Munition 
hatten die Italiener reichlich zurückgelassen. Sehr große 
Mengen an solcher wurden eingebracht, darunter 2250 schwerste 
Bomben, dazu 14? Maschinengewehre, 22 Minenwerfer, 
6 Kraftwagen, 600 Fahrräder. Die Zahl der seit Beginn 
unserer Offensive gefangenen Italiener war nach dem Falle 
von Arstero und Astago auf 30 388, darunter 694 Offiziere 
gestiegen. An Geschützen waren in diesem Zeitraum eines 
halben Monats 313 Stück erbeutet worden. 
Was hatten unsere braven Truppen, deren Leistungen 
in diesen Tagen alles bisher im Weltkriege Vollbrachte mit 
Rücksicht auf die Schwierigkeit des Geländes in den Schatten 
stellten, in dieser kurzen Frist geleistet! Innerhalb zweier 
Wochen hatten sie außer einer Anzahl stärkster und modernster 
Panzerwerke über 40 andere moderne Werke, 26 befestigte 
Defenstonskafernen und zahlreiche Batteriestellungen nieder- 
gekämpft und gewonnen, die überdies in dem schwierigen 
Gebirgsgelände die stärkste Anlehnung und Stütze fanden. 
Trotz dieser Unterstützung durch Kunst und Natur hatten sie 
die Italiener vollständig geschlagen und bis an die letzten 
Höhenabfälle zur venetianifchen Ebene zurückgeworfen. Und 
diese Erfolge waren mit verhältnismäßig geringen eigenen 
Verlusten erreicht worden, dank dem von der Führung 
konsequent befolgten Prinzip, die Infanterie immer erst 
nach ausgiebiger Bearbeitung des Feindes durch die Artillerie 
einzusetzen. Auch bei der Einnahme der Stützpunkte ging 
unsere Infanterie immer im Schutze der schweren und leichten 
Artillerie vor. Und diese war immer rechtzeitig zur Hand. 
Die Italiener hatten erwartet, daß im Verhältnis zu unserem 
Vorrücken sich die Kraft der k. u. k. Truppen vermindern 
werde. Sie hielten es für unmöglich, daß unsere Artillerie 
besonders die schwere, mit der Infanterie Schritt halten 
könne, erstens wegen der Geländeschwierigkeiten und zweitens 
weil die italienischen technischen Truppen einen Weltruf haben 
und genau wissen, wie man Straßen und Brücken im Ge- 
birgsgelände vollkommen vernichten kann. Aber die auf 
Erfahrung gegründeten Verfügungen unserer Heeresleitung 
und die ihren ruhmreichen Traditionen getreuen Leistungen 
der Truppen haben es zuwege gebracht, daß unsere Artillerie 
immer rechtzeitig am Platze war. Unsere Feld- und Gebirgs- 
geschütze find der Infanterie stets auf dem Fuße gefolgt 
und auch die schwerste Artillerie hat nicht viel Zeit gebraucht. 
Dieses glückliche Zusammenarbeiten der Truppengattungen 
ihre bewunderungswerten Leistungen, die großen Erfahrungen 
im Gebirgskrieg haben unsere großen raschen Fortschritte 
ermöglicht. Die wärmste Anerkennung gebührt unserer braven 
Infanterie. In vierzehntägigen unaufhörlichen Kämpfen hat 
sie den Feind vor sich hergetrieben, Befestigungen erstürmt 
und Berge erklommen, die sonst nur einzelnen alpenländischen 
Truppen zugänglich waren. Unsere Infanterie hat hier 
gezeigt, daß sie unvergleichlich ist in Tapferkeit, Ausdauer 
und Angriffsfreude. Die Schlachten in den Lessinischen Alpen 
und die Kämpfe um Arstero und Asiago werden für alle 
Zeit Ruhmesblätter sein in der Geschichte unserer Armee, 
werden Musterbeispiele bleiben für den Krieg im Hochgebirge. 
Ausgezeichnet hat während dieser Bewegungskämpfe 
auch die materielle Versorgung funktioniert. Den Truppen 
folgten auch unter den schwierigsten Verhältnissen Munitions- 
und Trainkolonnen, welche auch neue Schuhe und Schwärm- 
öfen in die Front brachten, denn der Schnee lag da und dort 
noch 2 Meter hoch. In endlosen Zügen kletterten Tragtier-- 
karawanen, Gebirgsstaffeln, Lastenautomobile über unweg- 
Geschichte des Weltkrieges. II. 
in Südtirol. 321 
sames Gelände, über zerstörte Straßen die vielfach gewun- 
denen Serpentinen hinauf, um die Kampftruppen mit allem 
Nötigen zu versehen. Die Leistungen des Trains stellen 
ein Unikum in der Weltgeschichte dar. Man arbeitete zuweilen 
mit ganz neuen, noch nirgends erprobten Methoden und 
Einrichtungen. Das gleiche war im Sanitätsdienst der Fall. 
Da die schmalen und viel zu gefährlichen Wege für den 
Rücktransport der Verwundeten meist gänzlich ungeeignet 
waren, mußte dieser häufig mittels Krahuen und Seilzügen 
vor sich gehen, die Tragbahren wurden einfach in gerader 
Luftlinie vom höchsten Berggrat direkt ins Tal hinabgelassen; 
eine Beförderungsart, die bei aller Kühnheit und Schwierig- 
keit doch mit so bedeutendem Zeitgewinn verbunden war, 
daß die Verwundeten oft schon in 2 bis 3 Stunden das 
nächste Feldspital erreichten. Nicht unerwähnt darf die her- 
vorragende Ausstattung unserer Reservesanitätsanstalten, 
namentlich in chirurgischer Beziehung bleiben. Jede besaß 
vollkommene Operationsräume, Röutgenapparate und alle 
anderen modernen Behelfe, in jedem größeren Spital arbeite- 
ten Spezialisten für Kiefer-, Ohren- und Augenverletzungen. 
Was die Kämpfe selbst anlangt, so handelte es sich niemals 
um Nachhutgefechte, wie manche italienische Quelle glauben 
machen wollte. Unsere Truppen befanden sich immer der 
ganzen kompakten Masse der italienischen Streitkräfte gegen- 
über. Dafür gibt es zwei Beweise. Erstens die für den Berg- 
krieg geradezu unerhört große Anzahl von Gefangenen, 
zweitens die gewaltige Beute an Haubitzen, insbesondere 
die vielen 28 Zentimeter-Hanbitzen. Diese modernen und 
äußerst wirksamen Geschütze, die unseren Mörsern vergleichbar 
sind, wurden alle im Nahkampfe und mit so überraschender 
Vehemenz erobert, daß dem Feinde zumeist keine Zeit blieb, 
auch nur die Verschlußstücke zu entfernen und daß eine große 
Anzahl dieser Geschütze sofort gegen ihn verwendet werden 
konnte. Diese reiche Beute an Haubitzen zeigt aber noch etwas 
anderes. Man weiß, daß die allerschwerste Artillerie stets in 
der hintersten Front postiert ist. Wenn ste nun in so großer 
Menge in unsere Hände fiel, so läßt steh daraus leicht ent¬ 
nehmen, mit welch gewaltiger Stoßkraft unsere Truppen 
sämtliche Stellungen der Infanterie und der leichten Ar- 
tillerie überrannt haben müssen, um die Haubitzen zu er- 
reichen, ehe man ste fortschaffen konnte. 
In Italien hatten die großen Erfolge unserer Offensive 
trotz eifriger Beschwichtigungsversuche der italienischen Re- 
gierung niederdrückend gewirkt. Unser Angriff wurde doppelt 
schwer empfunden, einmal, weil er gerade in die Zeit fiel, 
da Italien sich anschickte, den Jahrestag der Kriegserklärung 
festlich zu begehen, dann, weil Ende Mai an die Bevölkerung 
wieder mit der Aufforderung herangetreten werden sollte, 
sich recht zahlreich an den Zeichnungen für die neue vierte 
Kriegsanleihe zu beteiligen. In eklatantestem Widerspruch 
mit den amtlich verbreiteten Nachrichten über ein Stocken 
unseres Vordringens fluteten bald nach den ersten Angriffs- 
tagen viele Taufende von Bewohnern der Grenzräume ins 
Hinterland zurück und sah sich die Regierung schließlich 
genötigt, die Evakuierung des ganzen Gebietes der Sette 
Eommuni und der Zone Arstero-Astago durchzuführen. Die 
Bevölkerung wurde in solcher Eile weggeschafft, daß sie kaum 
das Notwendigste mit sich nehmen konnte und alles liegen 
und stehen ließ, wie es war. Einer unserer Kämpfer schrieb 
darüber an die „Neuen Tiroler Stimmen": 
„Wir kamen in Häuser, in denen eben zum Essen gedeckt 
war und wo die Speisen noch auf dem Tische standen. In 
einer Almhütte fanden wir die Milch in vielen Schüsseln 
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