Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

294 Der Krieg c 
Als sie aber den Angriff fortsetzen wollten, schritten unsere 
Truppen zum Gegenangriff, jagten den Feind bis in seine 
alten Gräben zurück und vertrieben ihn auch aus diesen 
in erbittertem Handgemenge, so daß alle ursprünglichen 
Stellungen wieder in unserem Besitze waren. Am Abend 
des 26. setzte gegen die wiedergewonnenen Gräben Trommeln 
seuer ein, aber ein darauf folgender Jnfanterieangriff wurde 
abgeschlagen. — Nordwestlich von San Martino drangen 
am 24. April eigene Abteilungen in die feindlichen Stellungen 
ein, nahmen Sprengungen vor, vernichteten die schweren 
Minenwerfer und kehrten nach Erfüllung ihrer Aufgabe 
wieder in ihre Gräben zurück. 
Am 8. Mai wurde westlich der Kirche von S. Martino durch 
eine Minensprengung ein Teil der feindlichen Stellung zerstört 
und der Sprengtrichter von uns besetzt, ein Unternehmen, 
das dem kommandierenden Offizier, Oberleutnant (jetzt 
Hauptmann) Geza Heim den Theresienorden einbringen sollte. 
Es war festgestellt worden, daß der Feind dort in zwei 
Richtungen Minengänge vortrieb: gegen die Grenze zwischen 
den Sektionen iz und 14 unserer Stellung und gegen Sek- 
tion 16 dieses Abschnittes. Dank der Wachsamkeit der Ver- 
teidiger und der Tüchtigkeit unserer Sappenre gelang es, 
dem Gegner zuvorzukommen und seine Arbeit durch eine 
kräftige Sprengung zu zerstören. Diese Sprengung war 
für die Nacht vom 7. zum 8. Mai angesetzt. Oberleutnant 
Heim, der Kommandant der die Sektion 16 besetzt haltenden 
?. Kompagnie des Infanterieregiments 46 erhielt den 
Befehl, die Sektion unmittelbar vor der Sprengung zu räu- 
men; nach gelungener Sprengung hatten bereitgestellte 
Sturmpatrouillen durch die vorbereiteten Ausgänge hinaus- 
zugehen und Gefangene zu machen; ein Zug sollte den Trichter 
besetzen und dadurch die Zerstörungs-, Sprengungs- und 
Bergungsarbeiten nachfolgender Sprengpatrouillen sichern; 
nach Beendigung der Tätigkeit der Sprengpatrouillen hatte 
alles wieder in die eigene Stellung zurückzukehren; — der 
Trichter war also zu räumen. 
Am 8. Mai um 3Uhr 2 Minuten vormittags erfolgte 
die Zündung. 
Es war eines jeden Überzeugung, daß bei der Sprengung 
eine sehr starke Detonation hörbar und ein vehementer Luft- 
druck fühlbar sein werde. Keines von beiden traf zu. Ober- 
leutnant Heim hörte nur ein dumpfes Getöse und fühlte 
ein ganz schwaches Beben der Erde. Er war daher nicht 
sogleich im klaren, ob die Sprengung erfolgt sei. Auch die 
Sturmpatrouillen hatten nichts Besonderes bemerkt. Ober- 
leutnant Heim ging nun nach einigen Minuten vor und 
sah die eigenen Deckungen in Trümmern liegen; es sah 
aus, als hätte die Sprengung nur die eigene Stellung 
beschädigt. Aber am rechten Flügel der Sektion beim Minen-- 
gang angelangt, sah Oberleutnant Heim etwa 50 Schritte 
vor sich einen Schutthaufen von über mannshohen Fels- 
blocken. Er entschloß sich, diesen Schutthaufen in Besitz zu 
nehmen und sandte eine Ordoünanz um die Kompagnie. 
Mittlerweile überwand er den Schutthaufen — da lag vor 
ihm der Sprengtrichter. Die sofort eingeleitete Reko- 
gnosziernng ergab, daß die feindliche Stellung an dieser 
Stelle gesprengt und teilweise verschüttet war. Kavernen und 
Minengänge waren eingestürzt oder verrammelt. Aus 
einer Kaverne hörte man die Hilferufe der darin eingefchlof- 
senen Feinde; gewaltige Felsblöcke machten es unmöglich, 
zu ihnen zu kommen. Mittlerweile war die Kompagnie ein- 
gelangt, Oberleutnant Heim ließ mit einem Zug den Spreng- 
trichter in der Absicht besetzen, ihn im Besitz zu behalten. 
m Italien, 
Er machte sich aber gleich daran, die neue Stellung ein- 
zurichten, bekam aber, sobald die telephonische Verbindung 
mit dem vorgesetzten Bataillonskommando hergestellt war, 
wiederholt den Befehl, den Trichter zu räumen und in die 
alte Stellung zurückzukehren. 
Oberleutnant Heim sagte sich, daß er durch die Behauptung 
des Trichters in den Besitz jenes dominierenden Rückens 
gekommen war, welcher von der „Kirchenhöhe" gegen Süd- 
westen ins Tal streicht und dadurch freien Ausschuß und gute 
Sicht auch auf die rückwärtigen Stellungen und Anmarsch- 
wege des Gegners gewonnen habe, was bisher nicht in diesem 
Maße der Fall war; die vordersten feindlichen Linien vor 
den Sektionen 15 und 16 konnten vom Trichter aus flan- 
kiert und daher dem Gegner jede Bewegung wesentlich 
erschwert werden. Gab er den Trichter auf, so würde ihn 
gewiß der Feind besetzen, der dann nicht nur unsere vor- 
dersten Linien, sondern auch die Anmarschwege nächst San 
Martino wirksam mit Infanterie- und Maschinengewehr- 
fener bestreichen könnte; wahrscheinlich würde aber die 
eigene Stellung unhaltbar werden, die der Trichterrand 
auf nur 15 Schritte Entfernung überhöhte. Wir müßten 
im Handgranatenkampfe unterliegen. 
So meldete er denn, die Situation schildernd, daß er den 
Trichter unter keinen Umständen aufgeben wolle und könne. 
Endlich erhielt er die Zustimmung, den Trichter besetzt zu 
halten. Die rasche und vorzügliche Orientierung im Terrain 
bezüglich des Wertes des Trichters und seiner Umgebung, 
die unverzügliche Besetzung entgegen dem erhaltenen Be- 
fehle und die energische Herstellung einer verteidigungs- 
fähigen Stellung erwiesen sich in der Folge als eine be- 
deutungsvolle Tat, die ihren Initiator unserer höchsten 
militärischen Auszeichnung, des Maria-Theresien-Ordens, 
würdig machte. Wenn es dem Feinde gelungen wäre, den 
Sprengtrichter zu besetzen, würde unsere Stellung bei San 
Martino an der heikelsten Stelle durchbrochen worden sein, 
was zu einem verlustreichen großen Gegenangriffe oder zur 
Aufrollung der Stellung im Doberdo-Abfchnitte geführt hätte. 
Am iz. Mai abends bekam unsere 106. Landsturm- 
division den Befehl, alle Maßnahmen zu treffen, um am 
15. die Italiener aus der sehr stark ausgebauten Stellung 
bei La Rocca und Bagni östlich Monfalcone zu werfen. 
Am 15. früh 7 Uhr begann das Geschützkonzert. Unsere 
Artillerie schoß glänzend, ein Stück der italienischen Stellung 
nach dem anderen flog samt den Insassen in die Luft. Um 
7 Uhr abends ging unsere Infanterie vor, wie wenn es 
einen Spaziergang gelte. Im ersten Ansturm wurde die femd- 
liche Linie in einer Breite von fast tausend Schritten genommen, 
ja einzelne Abteilungen drangen noch in die zweite Stellung 
ein. Das brave Egerländer Landsturmregiment Nr. 6 
nahm 5 Offiziere und 150 Mann verschiedener italienischer 
Kavallerieregimenter, die zur Besetzung der Schützengräben 
herangezogen waren, gefangen und erbeutete ein Maschinen- 
gewehr. Auch drei Minenwerfer wurden erobert und eine 
vollkommen erhaltene Bohrmaschine, die dann für uns in 
Tätigkeit gesetzt wurde. Gegenangriffe wurden abgewiesen. 
Der 16. war kritisch, weil die Italiener ein mörderisches Feuer 
auf die verlorenen Stellungen richteten. Erst als mehrere 
an diesem und den folgenden Tagen unternommene Angriffe 
mißlungen waren, sahen sie ein, daß hier nichts mehr zu repa- 
rieren sei: Unsere Stellungen dort schlössen nunmehr im 
Norden an den Monte Cosich an und gingen über La Rocca 
und Bagni ans Meer. Vor ihnen lagen Selz, Monfalcone 
und die arg zerschossenen Adriawerke.
	        
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