Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

Die Schlachten am Jsonzv. 
Plateau einer mächtigen Industrieanlage ähnlich machte. 
An Stelle der schmalen Bergwege, wo einst nur Ziege und 
Bergpferd dahinzogen, dehnten sich bald breite, gepflegte 
Straßen, deren Netz sich allmählich ausbreitete. Riesige 
Dampfwalzen drückten die Steine platt, die kurz vorher 
ebenfalls von Maschinen zerbröckelt worden waren. Der 
Fluch der Wasserlosigkeit gehörte der Vergangenheit an; 
der Traindienst wurde durch Motoreisenbahnen auf kurze 
Strecken begrenzt. Besondere Radeinrichtungen ermöglichten 
den Zügen das Verlassen der Geleise, so daß sie sich auch 
der Straßen bedienen konnten. Die Stationsgebäude, die 
Häuser der Sanitätsanstalten, die Proviantmagazine zeigten 
auf Schritt und Tritt die gewissenhafte Vorsorge. Die Stel- 
lungen der Truppen glichen Steinburgen, in denen sie, gegen 
Waffen und Wetter geschützt, den Winter erwarten konn- 
ten. Insbesondere konnte der Monte S. Michele, dieser Eck- 
pfeiler des Plateaus, 
bald mit der Wider- 
standskraft einer Fe- 
stnng wetteifern. Wer 
die Cavernen, die sich 
in drei Reihen dem 
Berg entlang zogen, 
die gegen Granat- 
splitter und Bora- 
winde verbarrikadier- 
ten Schützendeckungen, 
die in die Erde ge- 
hauenen Gräben und 
dem Boden aufgefetz- 
ten Steinbarrikaden 
sah, mußte staunend 
vor der genialen 
kunst des 
des S. Mi 
jungen Sappeurober- 
leutnants, stehen. Die 
Cavernen, deren jede 
Schlafstellen für eine 
Halbkompagnie ent- 
hielt, wurden mit elek- 
trischen Bohrapparaten hergestellt; aber auch die natürlichen 
Höhlen des Karstes, darunter eine Tropfsteinhöhle in der 
zoo Mann Platz fanden, wurden als Unterstände ausgebaut 
und mit elektrischer Beleuchtung versehen. 
Ein Berichterstatter der „Neuen Freien Presse" gab im 
Herbste nachstehende Schilderung von dem Leben und Treiben 
unserer Soldaten auf der Hochfläche: 
„Die vordersten Schützengräben sind sorgfältig eingedeckt, 
d. h. überdacht. Hier befindet sich die Mannschaft bei ihren 
Schlafstellen fast wie in einer Kaserne. Parallel mit dem 
Schützengraben zieht der Laufgraben, der dem Verkehr dient. 
Dann kommen die Verbindungsgräben, die nach rückwärts 
führen. Die Deckungen im Schützengraben sind fchrapnell- 
sicher und wasserdicht aus starken Balken und Brettern ge- 
baut und haben meist gutschließende Türen, die aus dem 
Gerät zusammengeschossener Häuser und Fabriken hergestellt 
sind. Die Liegestellen — man könnte sie fast Betten nennen — 
sind sauber. Die Schießscharten, in denen das Gewehr schuß- 
bereit liegt, sind nach außen sorgfältig verkleidet, wie das 
ganze Dach, das sich nur wenig über das allgemeine Boden- 
Niveau erhebt. Die Lauf- und Verbindungsgräben sind 
stellenweise so tief, daß man von der Gegend gar nichts 
mehr sieht. Hier gibt es immerwährend Arbeit; bald ist 
Wasser eingedrungen und muß ausgeschöpft, bald hat sich 
ein Tunnel gesenkt und muß gepölzt werden. Lockeres Erd- 
reich verlangt Befestigung, Stellen, an denen Wasser steht, 
werden mit Brettern überbrückt. Größere Arbeiten, die sich 
nicht verdeckt ausführen lassen, müssen nachts und selbst- 
verständlich ohne Licht ausgeführt werden. — Man wandert 
hier wie durch die Gassen einer großen Stadt, orientiert 
sich nach den blanken Aufschriftstafeln und Wegweisern der 
einzelnen Truppen und hat dabei nie ein rechtes Gefühl, 
ob man eine lange oder kurze Wegstrecke zurücklegt. Stun- 
denlang kann man wandern, ohne ein Ende zu finden, 
immer in den kreuz und quer laufenden Gräben, vorbei an 
Wegweisern, Telephonstellen, Scheinwerfern, Maschinen- 
gewehren, Vedetten und Beobachtungsständen. Alles hat 
seinen Wirkungskreis und seine besondere Bestimmung." 
Der italienische Minister Orlando, der sich nach 
der zweiten Jsonzoschlacht unsere Stellungen ansah, kleidete 
in einer in Palermo gehaltenen Rede sein Urteil in folgende 
Worte: „Die österreicher-Ungarn haben den Ruf, Meister in 
der Kunst der Anlage solcher Verteidigungswerke zu sein; hier 
haben sie sich selbst übertroffen. Die Schützengräben stellen 
das vollendetste dar, das man sich denken kann. Die Bauart 
ist dauerhaft, jeder Schlupfwinkel gesichert, der Mechanismus 
genial erdacht. Sie haben alle Erfindungen des bösen 
Geistes gegen uns in Anwendung gebracht und noch etwas 
dazu: die unvorhergesehenen Listen und die ausgeklügeltsten 
Täuschungen." * * 
* 
Vom 9. September ab mehrten sich wieder die starken A n- 
griffe gegen Tolmein und im Flitscher Becken. 
Am Krn war um diese Zeit bereits Schneefall eingetreten, 
dichte Nebel hingen zwischen den Höhen und machten den 
Artilleriekampf beinahe unmöglich. Unsere Mannschaften 
hatten schon vor längerer Zeit Pelze und warme Unterkleider 
ausgefaßt, so daß sie Kälte und Schnee nicht unvorbereitet 
traf; dagegen war die Bekleidung der Italiener, wie man 
an Gefallenen und Gefangenen beobachten konnte, den
	        
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