Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

Feldjug gegen Rußland. 
stände gegen die Legionen schädlicher Insekten gebeten wird, 
die sich in den ausgedehnten Schichten von Abfall, Kronen 
und Zweigen niedergeschlagener oder zerschossener Waldungen 
gebildet hatten. Aus der Eingabe geht weiter hervor, daß bei 
zahlreichen Ortschaften Hunderte von Hektaren von den ab- 
ziehenden Russen in Brand gesteckt worden sind. 
Von der galizischen Industrie wurde am härtesten die 
umfangreichste, die Naphthaindustrie getroffen. So wurden, 
nur um ein Beispiel anzuführen, von den 450 Schächten in 
Boryslaw 256, deren Bohrungskosten 68 Millionen Kronen 
betragen hatten, vom Feinde verbrannt. Außerdem wurden 
zahlreiche Reservoire mit Vorräten im Werte von 24 Mil- 
lionen Kronen ein Raub 
der Flammen. Der durch 
Feuer verursachte Ge- 
samtschade wird aus 60 
Millionen veranschlagt. 
Verhältnismäßig ge* 
ringer sind die den 
übrigen Industriezweig 
gen zugefügten direkten 
Schäden. Aber der in-- 
direkte Schaden, der dem 
Lande daraus erwächst, 
daß alle ihm zur Ver- 
fügung stehenden Mittel 
von dem Wiederaufbau 
des Landes verschlungen 
werden, statt der überall 
im Wachstum begriffen 
gewesenen Industrie zu-- 
geführt werden zu kön- 
nen, ist kaum zu ermessen. 
Aber trotz alledem: 
der Humus der galizi- 
schen Crde, das Naphtha, 
die Kohle, die Erze, die 
ihr Inneres birgt, konn-- 
ten die Feinde nicht zer- 
stören. Was zerstört 
wurde, ist nicht unersetz-- 
lich. Und da mit vielem 
Wertvollem auch noch 
Veraltetes, den Fort- 
schritt Hemmendes zu-- 
gründe gegangen ist, so 
wird das Königreich Galizien, so lange sein Heilungsprozeß 
noch dauern und so entsagungsvolle Geduld dieser von den 
nächsten Generationen erfordern mag, schließlich dennoch 
wieder und zielbewußter denn je emporblühen. 
Unersetzlich dagegen sind seine kulturellen Verluste. 
Glücklicherweise stehen sie zu den materiellen in gar keinem 
Verhältnisse. In größeren Städten mit ihren bis ins 
12. Jahrhundert zurückreichenden Architekturen, ihren gotischen 
Kunstdenkmälern und reichen Sammlungen von Kunst- 
und historischen Gegenständen, wurde die Vernichtungswut 
der Kosaken im Zaume gehalten. Auf dem Lande dagegen, 
wo sie sich ungehemmt austoben konnte, fielen ihr manch 
stolzer Herrensitz mitsamt seinen Kunstschätzen und historischen 
Dokumenten und manch altehrwürdiges kulturgeschichtlich 
bedeutsames Gotteshaus zum Opfer. 
Von dem prachtvollen, Ende des 16. Jahrhunderts von 
Stanislaw Hükkiewski im italienischen Renaissancestil er-- 
Der zerschossene Dom in Radymno. 
bauten Schloß Zokkiew, dem Lieblingsaufenthalt des Königs 
Johann in. Sobieski, überdauerten nur die nackten Mauern 
den von den Russen gelegten Brand. 
Ein Raub der Flammen wurde ferner der berühmte 
Palast des bekannten Kunstkenners und Sammlers Grafen 
Karl Lanckorönski in Rozdol, der ein einziges großes 
Museum mit wertvollen Gemälden und Bildnissen, römi- 
schen und griechischen Ausgrabungen, überaus kostbaren 
Einrichtungsgegenständen und -Porzellan, alten Uhren und 
historischen Andenken bildete, und außerdem eine 20000 
Bände umfassende Bücherei, die größte Sammlung photo- 
graphischer Reproduktionen von Kunstwerken und ein sehr 
reichhaltiges bis ins 
15. Jahrhundert zurück-- 
reichendes Familien-- 
archiv barg. 
Das gleiche Schicksal 
traf das schöne Schloß 
des Grafen Frauciszek 
Mycielski in Boranicze. 
Nachdem es geplündert 
worden war, wurde es 
mit Hilfe ausgegossenen 
Benzins in Brand gesteckt 
und bis in die Keller-- 
räume niedergebrannt. 
Dabei gingen zahlreiche 
Werke alter und neuer 
Kunst, darunter das 
Original des Bildes 
„Die Schlacht in Ols- 
zynka" von Wojciech 
Kossak, kostbare Möbel, 
eine an 150 000 Werke 
zählende, viele alte pol- 
nische Drucke enthaltende 
Bücherei, eine reichhal- 
tige Sammlung von 
Münzen, Medaillen und 
Porzellan, so wie auch 
hier bis ins 15. Jahr-- 
hundert zurückreichende 
Familienarchive mit kost- 
baren, die Napoleoni- 
schen Kriege, das Groß- 
herzogtumWarschau und 
das Kongreß-Königreich betreffenden Materialien zugrunde. 
Gänzlich niedergebrannt wurden schließlich noch unter 
anderen der vornehm eingerichtete und mit vielen Kunst- 
werken ausgestattete Palast in Wybranowka und das schöne 
Schloß in Swirz. 
Das im 17. Jahrhundert als^ Schutzfeste mit vier Ba- 
steien erbaute Schloß von Magierüw erlitt zwar äußerlich 
keine bedeutenden Schädigungen, umso größere dagegen im 
Innern. Was nicht geraubt werden konnte, wurde zer- 
schlagen und bildete einen wüsten Trümmerhaufen. Von 
den Bildern der „Galerie" und der Schloßkapelle verblieben 
nur drei kleinere in unversehrtem und ein größeres in schwer 
beschädigtem Zustande zurück. Von allen übrigen fanden sich 
nur mehr die Rahmen vor. Von den neben dem Schlosse 
befindlichen überlebensgroßen Standbildern des Königs 
Jan III., der Geschlechter von Danilowicz und Radziwill, 
die vor etwa 50 Jahren aus dem Schlosse Zotkiew hierher
	        
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