Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

178 Feldzug g, 
Schon Ende Februar verkündete der russische Kriegst 
minister: „Gegenwärtig zeigen unsere im Westen stehen- 
den Truppen ihre wiedererstandene Kraft in episodischen 
Kampfhandlungen an der Düna, der Strypa und bei 
Czernowitz und bereiten sich dabei auf die Erfüllung größerer 
Aufgaben vor." 
Von diesen Aufgaben verrieten auch die Gefangenen, 
die von der Vorbereitung eines großen Angriffes gegen 
W i l n a berichteten. 
Immer reger spann sich in den ersten Märztagen hinter 
der russischen Front der Berkehr, den die deutschen Flieger 
genau beobachteten. Immerwährend hingen sie spähend über 
den feindlichen Linien, über den wichtigsten Zufahrtsstrecken 
und wußten zu richtiger Zeit ihre Zerstörungsarbeit zu voll- 
bringen. 
Schon am 2. März hatte die deutsche Oberste Heeres- 
leitung gemeldet: „Auf dem nördlichen Teile der Front 
erreichten die Artilleriekämpfe teilweise größere Lebhastig- 
keit. Kleinere Unternehmungen unserer Vorposten gegen 
feindliche Sicherungsabteilungen hatten Erfolg." 
Am z. März aber wurden die Russen aus ihren Stel- 
lnngen bei A l si e w i c z e (nordöstlich Baranowicze) 
geworfen. Und als sie nächsten Tags östlich I l l u x t einige 
Minen sprengten und vorzubrechen versuchten, wurden sie 
abgewiesen. 
Immer mächtiger, immer bringender flehte Frank- 
reich um Hilfe. C a d o r n a stürmte schon seit 10. März 
gegen unsere Jsonzofront. Die Russen aber hatten mit 
nichtigen Kämpfen die Zeit vertrödelt. 
Endlich begann am iz. März das Artilleriefeuer sich auf 
größere Strecken der deutschen Ostfront zu verbreiten und 
stellenweise steigerte es sich bis zum Trommelfeuer. In den 
Nächten schnitt der Feind Sturmgassen in seine eigenen 
Drahthindernisse. Ohne Unterlaß strömten neue Heeres-- 
massen in seine Linien. 
Die Absicht G e n. C w e r t h s, des Oberbefehlshabers 
der russischen Nordwestfront, kennzeichnet am besten Heft 
Nr. 18 der „Kriegsberichte aus dem Großen Hauptquartier": 
„Der Offensivplan war groß und ein- 
fach gedacht. EineZangemitrechtemFlügel 
etwa i n Gegend Jakobstadt, mit linkem 
an der Beresina. UnwiderstehlicherDurch- 
bruch in der Mitte beiderseits des Narocz- 
sees. Aufrollen der deutschen Front nach 
Nordwesten und Südwesten." 
Zum Durchbruche waren bereitgestellt: 
nördlichPostawy zwei russische, ein sibirisches Armee- 
korps und ein Kavalleriekorps unter Gen. Pleschkow; 
südlich P o st a w y, der Seenenge gegenüber, drei 
Armeekorps und ein Uralkosakendivision, die Gen. Ba- 
l uje w führte; 
außerdem wurden noch zwei Armeekorps in die Gegend 
S m o r g o n herangezogen. 
Achthundert bis tausend Geschütze, darunter schwerstes 
Kaliber, verteilten sich auf die Front beider Stoßgruppen. 
Ungeheure Munitionsmengen waren aufgestapelt. Die 
deutschen Gräben sollten wieder einmal durch zahllose 
Hammerschläge zerstampft und eingeebnet werden. Wie im 
Spiel kämen dann die Jnfanteriewellen heran und ohne 
Aufenthalt würde sich ihre Flut weiter gen Westen wälzen, 
voran, dem fliehenden Feinde auf den Fersen, die Reiterei. 
Es waren jubel-bunte Bilder, die den Truppen im 
Rausche der Hoffnung auf künftigen Sieg gemalt wurden. 
m Rußland. 
„Nach Einnahme der Gräben des Gegners dürfen sich 
die Angreifenden nicht aufhalten lassen. Der Durchbruch 
verträgt keine Unterbrechung." So heißt es in einem auf- 
gefundenen russischen Befehle. Jawohl „der Durchbruch 
verträgt keine Unterbrechung!" Denn Nr. 7 des gleichen 
Befehles weiß diesen Grundsatz gut russisch zu verstärken: 
„Den Truppen ist einzuprägen, daß die Reserven und die 
Artillerie auf sie das Feuer eröffnen werden, falls die An- 
greifenden versuchen, sich gefangen zn geben." 
Uber den großen Zweck der geplanten Offensive gibt auch 
der Befehl des russischen Oberkommandanten vom 4./17. 
März 1916 erschöpfende Auskunft: „Truppen der West- 
front! Ihr habt vor einem halben Jahre, stark geschwächt, 
mit einer geringen Anzahl Gewehre und Patronen den Vor- 
marsch des Feindes aufgehalten und, nachdem ihr ihn im 
Bezirke des Durchbruches bei Molodeczno aufgehalten habt, 
eure jetzigen Stellungen eingenommen. Seine Majestät und 
die Heimat erwarten von euch jetzt eine neue Heldentat: 
Die Vertreibung des Feindes aus den Grenzen des Reiches! 
Wenn ihr morgen an diese hohe Aufgabe herantretet, so bin 
ich im Glauben an euren Mut, an eure tiefe Ergebenheit 
gegen den Zaren und an eure heiße Liebe zur Heimat davon 
überzeugt, daß ihr eure heilige Pflicht gegen den Zaren und 
die Heimat erfüllen und eure unter dem Joche des Feindes 
seufzenden Brüder befreien werdet. Gott helfe uns bei 
unserer heiligen Sache!" 
Am 1 7. M ä r z steigerte sich das Geschützfeuer gegen die 
deutsche Front beiderseits des Naroczsees und n örd- 
l i ch des Miadziolsees. Tauwetter und Regen hatten 
die Eisdecke in dieser stark versumpften Gegend zerbrochen 
und zerstört. Nun standen beide Gegner im Morast, be- 
sonders unhaltbar aber war der Aufenthalt in den wasser- 
gefüllten russischen Gräben geworden. Die deutschen Stel- 
lungen lagen doch etwas höher und günstiger. 
Auch dieser Umstand spornte die russischen Massen an. 
Aber als sie am Abende des 17. März nördlich des Mi ad- 
z i 0 l se e s angriffen, wurden sie gründlich abgewiesen. 
Vielleicht galt ihnen dieser Sturm nur als Versuch, als 
Tasten eines Fühlers nach schwächeren Stellen, denn erst am 
18. März begannen ihre allgemeinen Durchbruchsversuche 
südlich der D ü n a. Sie richteten sich an diesem Tage Haupt- 
sächlich gegen die Front Dryswjatysee, Postawy 
und beiderseits des N a r 0 c z se e s. Doch diese Linien waren 
in fester Hand. Den südlichen Teil verteidigte die deutsche 
X. Armee unter Befehl des Gen. v. E i ch h 0 r n, den 
nördlichen die A r m e e a b t e i l u n g des Gen. v. S ch 0 l tz. 
Nach üblicher Artillerievorbereitung, die aber weit unter 
dem versprochenen Maße blieb, griff am Morgen die russische 
25. Division aus der Linie Jwanki—Spiagta 
gegen B a l t a g u z y an. „In tiefem Schlamme und 
Morast wälzten sich die Massen heran, getrieben durch Knuten- 
hiebe und Rückenfeuer," den Tod vor und hinter sich. Nun 
aber faßte er sie auch in der Flanke. Denn da gerieten sie in 
die Lagen der deutschen schweren Artillerie, die vom West- 
ufer des N a r 0 c z se e s mit zermalmenden Pranken in sie 
einschlugen. So brach dieser erste große Angriff zusammen. 
Nur Trümmer der Division versuchten sich nach rückwärts 
zu retten, da räumten unter ihnen deutsche Maschinen- 
gewehre auch noch fürchterlich auf. So brachte ein Regiment 
150, ein anderes gar nur 100 Mann zurück. 3000 Tote aber 
lagen draußen auf dem Kampffelde. 
Das gleiche Schicksal erlitt die russische 7. Division, 
die nordöstlich der 25. Division sogar zweimal gegen die
	        
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