Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

168 Feldzug ge 
die feindliche Presse nachträglich jede Durchbruchsabsicht in 
geübter Art abzuleugnen versuchte. Der Zar, der aber-- 
mals herbeigeeilt war und sich, wie in Czernowitz ein, 
gebrachte russische Verwundete erzählten, während der 
letzten Tage in einem Salonwagen nächst Chotin auf, 
gehalten hatte, um das Ergebnis der Offensive abzu, 
warten, äußerte vor seiner Abreise aus dem Hauptquartier 
des Generals Iwanow: „Trachtet wenigstens Bess, 
arabien zu halten. Schweres Schicksal ist uns beschieden." 
Auch die zehn Dumamitglieder, die zum feierlichen Einzug 
in Czernowitz eingeladen worden waren, ließen sich nicht 
länger von General Lorentiew in Nowa,Sielica ver* 
trösten und kehrten zurück. 
Da die Verluste der Russen in der großen Neujahrs- 
schlacht von unserer Obersten Heeresleitung schon am 18. 
Jänner, also noch vor dem letzten großen Aufflackern 
des Kampfes auf mindestens 70000 Mann an Toten 
und Verwundeten geschätzt wurden, wozu noch 6000 Ge- 
fangene kamen, so wird man nicht fehlgehen, wenn man 
die russische Gesamteinbuße mit nahezu 100000 Mann 
beziffert, welcher an der ganzen 160 Kilometer langen 
Front in Ostgalizien, vom Ostufer der Strypa, nördlich 
des Dnjester und in der Bukowina längs der bessarabi, 
schen Grenze, östlich von Czernowitz, trotz Einsatz von zu- 
nächst 5 Korps und einer gemischten Brigade, dann min-- 
bestens noch 2 weiteren Korps, auch nicht der geringste 
Aktivposten gegenüberstand. 
Die Hoffnung, mit den Angriffen bei Toporoutz irgend 
etwas von Bedeutung zu erreichen, mußten die Russen nun 
doch endlich aufgeben, aber den Entschluß, diese Angriffe ganz 
zu unterlassen, fanden sie noch nicht. So dauerte es noch 
mehrere Tage, bis einigermaßen Ruhe an der Front eintrat. 
Vielleicht glaubten die Russen, daß sich Rumänien inzwischen 
noch werde gewinnen lassen. Die verblendeten Parteigänger 
Rußlands in Rumänien, die auf den Straßen von Bukarest 
ihre zweifelhaften Künste übten und mit allen Mitteln bas 
Volk aufregten, nährten aus Eitelkeit und Eigennutz die 
Hoffnung der russischen Sendlings. Dementsprechend glaub- 
ten auch die Russen, Rumänien gegenüber noch immer das 
Gesicht wahren zu müssen. Es mußte ihnen bie Niederlage 
verborgen, als ein Täuschungsversuch der Zentralmächte 
hingestellt, es mußte ihnen eine Schlagkraft der russischen 
Waffen vorgetäuscht werden, die gar nicht mehr vorhanden 
war, und andererseits mußte alles getan werden, um in Er- 
Wartung einer günstigen Entscheidung Rumäniens die öster- 
reichisch-uugarischeu Truppen, die man nicht schlagen konnte, 
Kämpfe an der Ostfront 
Während in der ersten Märzwoche 1916 die Russen nördlich 
der Beresina gewaltige Vorbereitungen zu ihrem Angriffe 
trafen, war südlich der Beresina und an der 0 stgalizi- 
schen Front nur geringe Kampftätigkeit zu verspüren. 
Der Hauptgrund der erschlafften Gefechtskraft lag hier in den 
empfindlichen Verlusten, welche die Russen in der Neujahrs- 
schlacht erlitten hatten. 
Wohl erzählten Überläufer bei der 7. A r m e e von neuerlichen 
Angriffsabsichten. Vier frische Korps sollten im Räume M 0, 
gile w—K iszinew versammelt worden sein, die Be- 
wohner von L i p k a n y und Umgebung Weisungen für große 
Einquartierungen erhalten haben und auch Flieger, die 
tt Nußland. 
bis dahin wenigstens so viel als möglich zu ermüden und zu 
schwächen. Aber es entsprach natürlich nicht ganz dem ruft 
fischen Programm, daß wir im Bewußtsein unserer genügsam 
erprobten Überlegenheit uns nicht scheuten, hie und da selbst 
zum Angriff überzugehen und dem offenbar erschöpften 
Feinde schweren Abbruch zu tun. 
So wurde cm Abend des 21. Jänner auf der Höhe Dot, 
jok, nördlich von Bojan am Pruth, ein russischer Graben durch 
Minen in die Luft gesprengt. Von der 300 Mann starken 
Besatzung konnten nur einige Leute lebend gekorgen werden. 
In der Nacht vom 22. zum 2z. vertrieben unsere Truppen den 
Feind in demselben Abschnitt aus einer seiner Verschanzungen, 
am 23. früh wieder griffen die Russen nach starker Artillerie- 
Vorbereitung unsere Stellungen südlich von Dubno an und 
wurden mit schweren Verlusten zurückgeschlagen. Am 28. 
zeigte sich sogar ein offensives Vorgehen unserer durch die 
langandauernde Neujahrsschlacht keineswegs in ihrer Kraft 
gebrochenen Truppen, indem Abteilungen des mittelgalizi- 
schen Infanterieregiments Nr. 10 bei Toporoutz eine russische 
Vorfeldstellung überfielen, sie im Handgemenge eroberten, 
die russischen Gräben zuwarfen und einen großen Teil der 
Besatzung als Gefangene abführten. 
Nun konnte doch endlich erreicht werden, daß die Kämpfe 
an der bessarabischen Front vorläufig eingestellt wurden. 
Nur an der Strypafront und jetzt auch am Dnjester, wo sie 
die Brückenschanzen bei Uscieczko erfolglos angriffen, ver- 
suchten die Russen, sich kleine Vorteile zu erkämpfen. Aber 
nach außen hin wurde der Anschein aufrecht erhalten, als 
verfolge man immer noch die gleichen Absichten wie vor 
einem Monat. Die politischen Rücksichten, die dafür be- 
stimmend waren, kamen in den Stimmen der Presse deutlich 
zum Ausdruck. So schrieb der „Odesski Listok" Ende Jänner: 
„Die Vorgänge an der bessarabisch-rumänischen Grenze sind 
noch lange nicht abgeschlossen. Wir haben eine glänzende 
Operationsbasis von Lipkani bis Odessa. Vielleicht gelingt 
es unserer Diplomatie, die Erreichung unseres Zieles zu er- 
leichtern und die Opfer zu verringern." Es wurde auch ver- 
breitet, baß die Russen aufs neue große Truppenmassen 
längs der rumänischen Grenze, namentlich bei Ungheni, 
zusammenzögen. Aber alles das konnte die Wahrheit nicht 
mehr verschleiern: daß die ungeheuren Anstrengungen der 
Russen, unsere Front an der rumänischen Grenze einzudrücken, 
erschöpft und ohnmächtig zusammengebrochen sind und so 
weder das Schicksal Serbiens zu ändern, noch bie angestrebte 
Einflußnahme auf die Entschließungen Rumäniens zu er- 
reichen vermochten. 
im März und April 1916. 
in diesen Tagen recht eifrige Aufklärungsarbeit leisteten, be, 
richteten von emsigem Bahnverkehre auf den neu gebauten 
Strecken Kilia—Bolgrad, Jfmail—Reni und Kis, 
zine w—L i p k a n y: an der Front der Armee Pflanzer, 
B a l t i n selbst herrschte fast völlige Ruhe. 
Die Kämpfe, welche nach Beendigung der Neujahrsschlacht 
an der russischen Front ausgefochten wurden, sind nur als ver, 
eiuzelte Versuche anzusehen, die Wachsamkeit des Gegners zu 
erproben und ihm womöglich kleinere Vorteile abzujagen, 
selbstverständlich mit der im Hintergrund stehenden Hoffnung, 
daß sich aus solchen Überraschungen und schnell wahrgenom, 
menen kleinen Vorteilen die Möglichkeit größerer Gewinne er,
	        
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