Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges II. Band (2,1920)

Die Sommeroffensive der Deutschen in Rnssisch-Polen 191;. 
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(inten beitrug. Noch höher aber vielleicht konnte der politische 
und moralische Einfluß gewertet werden: das letzte Bollwerk 
der russischen Macht in Polen war erobert, ganz Polen ohne 
Einschränkung im Besitz der Verbündeten. 
Die Siegesbeute war gewaltig und krönte den durchschlag 
genden Erfolg, der sowohl auf die ebenso umsichtige wie tat- 
kräftige Leitung, als auf die Wirkung der verbündeten Artillerie 
wie anf die Stoßkraft der Fußtruppen zurückzuführen war. 
In die Hand der Seger fielen: 
90000 Gefangene (darunter 15 
Generale nnd über 1000 andere Ofsi- 
ziere), 1640 Geschütze aller Arten, 
10z Maschinengewehre, 160 000 Schuß 
Artilleriemunition, 7 Millionen Ge- 
wehrpatronen. 
Der dentsche Kaiser begab sich am 
Tage nach der Einnahme unter dem 
Jubel der aufgestellten Mannschaften 
in die Festung. Von hier aus richtete 
er an den Reichskanzler ein Tele- 
gramm, in welchem er die Bedeutung 
dieser Waffentat mit eindringlichen 
Worten schilderte. Es lautete folgen- 
dermaßen: „Dank dem gnädigen Bei-- 
stand Gottes und der bewährten Füh- 
rung des Eroberers von Antwerpen, 
General v. Beseler, sowie der 
heldenhaften Tapferkeit unserer präch- 
tigen Truppen und der vortrefflichen 
deutschen und österreichisch-ungarischen 
Belagerungsartillerie ist die stärkste 
und modernste russische Festung Nowo- 
Georgijewsk unser! Tief ergriffen 
habe ich eben meinen braven Truppen 
meinen Dank ausgesprochen; sie waren 
in prächtiger Stimmung. Eiserne Kreuze ausgeteilt. Alles 
Landwehr und Landsturm. Es ist eine der schönsten Waffen-- 
taten der Armee. Die Zitadelle brennt, lange Kolonnen 
Gefangener begegnen mir auf Hin-- und Rückfahrt. Dörfer 
meist von Russen auf Rückzug total zerstört. Es war ein 
erhabener Tag, für den ich in Demut Gott danke." 
Kowno. 
(Einnahme am 18. August 1915.) 
Die Festung Kowno bildet den nördlichen Flügelpunkt 
des westrussischen Fesiungsgebietes, im besonderen der Njemen- 
linie. Die Stadt Kowno selbst ist nicht befestigt, wird aber 
durch vorgeschobene Forts geschützt. Diese sind etwa 4 bis 
6 Kilometer von der Stadt entfernt, wobei das Zwischen- 
gelände zu hartnäckigstem Widerstand ausgebaut ist. Durch 
große Waldungen, häufige Sumpfstrecken und zahlreiche 
Wasserläufe wird die Verteidigung dieses Terrains außer- 
ordentlich begünstigt. 
Um die Njemenfront gegen einen Vormarsch der Deutschen 
weiterhin zu schützen, waren nordwestlich von Kowno die 
starken Abschnitte Dubissa und Niewiaza ausgebaut worden. 
Jenseits der Dubissamündung auf dem linken Njemen- 
ufer zog die Verteidigungslinie längs des Westrandes der 
großen Waldungen bis in die Gegend von Mariampol, 
dann über Kalwarja und Boy über Sejny auf Grodno 
zurück. Um die Stadt Kowno selbst befand sich ein Kranz 
von Stellungen, der im Norden zwischen der Niewiaza 
GO. voii Cichhoru. 
und Dubissa begann und sich südlich des Njemen durch 
die Waldungen zur großen Straße Kowno—Mariampol, 
weiterhin über die Jesia hinzog. 
Seit Ende März 1915 waren die Russen durch die deutsche 
10. Armee v. E i ch h 0 r n, welche der Heeresgruppe H i n d e n- 
b n r g s unterstellt war, unter heftigen Kämpfen von Stellung 
zu Stellung zurückgedrängt worden. Alle Vorstöße des Fein- 
des waren von den Deutschen abgewiesen worden. Wegen 
der Fortschritte in Kurland und Sa- 
mogitien in der Gegend von Rossienie 
und Schawli mußten die Operationen 
an der Njemenfront zeitweise unter- 
brochen werden. 
Im Anschlüsse an die deutsche 
Offensive gegen Warschau und gegen 
die Narewsront drang auch die Armee 
v. Eichhorn erfolgreich vor. Am 
20. Juli gelang der Durchbruch der 
Dubissalinie bei und südöstlich Ros- 
sienie. Gleichzeitig machten die Deut- 
schen Fortschritte in der Waldgegend 
von Sapiezyski und erreichten die 
Ostausgänge der Wälder. Auch wur- 
den an und südlich der Straße Ma- 
riampol—Kowno bei Skrawdzie und 
Kickieryszki drei hintereinanderliegende 
russische Stellungen erobert. Unter 
solchen Kämpfen war es den deutschen 
Truppen allmählich gelungen, sich in 
den Besitz des ganzen Vorgeländes 
westlich des Njemen zu setzen. Bis 
zum 10. August wurden die Russen 
bis in das nahe Vorgelände der Süd- 
Westfront von Kowno zwischen der 
Jesia und dem Njemen unterhalb 
der Festung zurückgeworfen. Nördlich des Stromes waren die 
Ubergänge über die Niewiaza erzwungen worden. Nunmehr 
konnte zum Angriff auf die Verteidigungswerke und Flußüber- 
gänge der Festung selbst geschritten werden. Die befestigte 
Njemenlinie sicherte noch immer die Flanke der russischen 
Zentralstellung und deckte die rückwärtigen Verbindungen 
des Heeres nach Osten, namentlich die wichtige Eisenbahn- 
linie über Wilna. Die Njemenlinie mußte deshalb von den 
Deutschen durchbrochen werden. Mit dieser Aufgabe war das 
Armeekorps L i tz m a n n der Armee Eichhorn betraut, 
das mit den Hauptstreitkräften gegen die Westfront der 
Festung Kowno südlich des Njemen zum Vorstoß ausholte. 
Am iz. August 191? eroberten die deutschen Truppen 
den befestigten Wald von Dominikana, bloß z Kilometer 
westlich von Fort I und II der Festung. Hierauf begann der 
Ansturm gegen diese selbst. Ein versuchter russischer Aus- 
fall wurde am 14. zurückgewiesen. Nach gründlichster Artillerie- 
Vorbereitung wurden in der Nacht vom 16. zum 17. August 
unter der Führung des Gen. L i tz m a n n die zwischen 
Njemen und Jesia gelegenen Forts I und Ii der Südwest- 
front erobert. 4500 Russen wurden hiebet gefangen, 
240 Geschütze und sonstiges Kriegsmaterial erbeutet. Noch 
am Morgen des 18. wurde auch die hinter ihnen liegende 
zweite Linie genommen. Darauf gaben die Russen die 
Forts III und VIII auf, räumten am Nachmittag die 
Forts IV und V und gingen in großer Eile über die Wilia 
und den Njemen zurück. Am Abend des 18. August waren 
die Stadt und die übrigen Werke in der Hand der Deut-
	        
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