Volltext: Die Geschichte des Weltkrieges Band III. (3; 1920)

Von der rumänischen Kriegserklärung bis zur russischen Märzrevolution. 11 
Um \ Uhr nachmittags aber dehnten die Russen die Durchführung. Es schien, daß der Feind unter der guten 
Sturmftont im Norden bis nach Zaturcy aus und schritten eigenen Artilleriewirkung und unter dem frischen Eindruck 
auf der ganzen Front von Pustomyty bis Zaturcy, also in der Niederlage vom 16. es nicht wagte, seine Stellungen zu 
einer Breite von 20 Kilometer, und unter Einsatz von 4 Korps verlassen und die Infanterie, ungeachtet dessen, daß die 
zu einem einheitlichen Massenstoß. Die aus dem Räume öst- russische Artillerie mehrfach in die russischen Gräben feuerte, 
lich der Bahn Kowel—Rowno vom Stochod herübergezogenen, nicht zum Sturm zu bewegen war. Nur beim Korps Szur- 
frisch aufgefüllten Gardedivisionen traten jetzt in den Kampf, m a y erfolgte ein Angriff, der glatt abgewiesen wurde. 
Es war ein erschütterndes Kriegsbild, als die Massen der In der Nacht vom 19. zum 20. September verstärkte sich 
Gardemannschaften in dichten Wellen über das Feld vor- das Artilleriefeuer gegen die ganze Front der Armeegruppe 
kamen und unsere Artillerie ihnen ihre blutfordernden Eisens Marwitz bis zum Trommeln. Mit besonders kräftigem 
grüße entgegensandte. Feuer deckten die Russen die drei um das Dorf Szelwow 
Ein Mitkämpfer schreibt darüber in einem Feldpostbrief: liegenden beherrschenden Höhen ein, um dort einen Durch- 
„Diese Unglücklichen kamen anmarschiert, als hätte es bruch zu forcieren und die dahinter liegende Wiesenniederung 
gegolten, auf dem Newski-Profpekt unbewaffnete Arbeiter-- der Luga zu erreichen. Mit gewaltiger Anstrengung, wobei 
scharen auseinanderzutreiben. Als ihre Kanonen verstummt wieder die Gardemannschaften schwere Opfer'brachten, gelang 
waren und die russische Garde aus den Gräben sprang und es ihnen auch, die dortigen Stellungen der 70. Honved- 
auf uns in dichten, fast gedrängten Reihen zustürzte, allen infanteriedivision und weiter südlich die der 11. Infanterie- 
Schutz vernachlässigend, den Hügelchen und Gruben im division einzudrücken. Immer wieder neu in den Kampf 
Terrain boten, waren wir förmlich erstarrt. Jene aber brüllten geworfene Kräfte, welche im Laufe des Vormittags sechsmal 
nur ihr „Urral", schössen blindlings drauf los, um ein mög- in vielen Wellen gegen alle Korps der Armeegruppe Mar-- 
lichst großes Getöse hervorzurufen und drangen auf uns ein. w i tz anrannten, ermöglichten um 10 Uhr vormittags auch 
Wir vermochten schon fast ihr Keuchen zu vernehmen, da kam einen Einbruch am Nordflügel Beckmann bei Korytnica. 
vortempiertes Salvenfeuer. Ich versuche gar nicht — denn Diese schon früher heiß umstrittene Ortschaft hatte durch die 
ich vermöchte es nicht — das entsetzliche Geheul zu beschreiben, Beschießung stark gelitten und nun brannte auch noch das 
in das die Unglücklichen ausbrachen, als der Tod mitten in kleine Holzkirchlein ab, so daß nur noch eine wüste, rauch-- 
sie hineinschlug. Sie fielen in solchen Massen zu Boden, daß geschwärzte Trümmerstätte lang hingestreckt im grünen, von 
dieser unter ihrer Last förmlich erzitterte. Die ganze Ge- . vielen Granaten aufgewühlten Grunde der Lugasenke lag. 
schichte hat uns ein paar solcher Salven gekostet, wer sich Während in der Einbruchsstelle der u. Infanteriedivision 
dann noch von der Garde wieder erhob, den putzten unsere noch in den Morgenstunden die Lage ohne Einsatz von 
Scharfschützen weg wie die Hasen. Die paar Heilgebliebenen Reserven wieder hergestellt werden konnte, brachte auch bei 
ließen sich dann glückselig gefangennehmen." Szelwow ein Gegenangriff der Armeegruppenreserve alle 
Wie ein Gefangener des Infanterieregiments Nr. 50 Stellungen wieder in unsere Hand, 
später aussagte, befand sich während dieser Kämpfe der Zar Dagegen kam bei Korytnica, wo der Nordteil des Ortes 
an der Front und hatte den Truppen sagen lassen, daß durch und der Wald nördlich davon verloren gegangen war, der 
den Einsatz der Garde heute die Bahnlinie Wladimir Wolynski um 2 Uhr nachmittags mit 8 Bataillonen von Süden, Westen 
—Kowel genommen werden müßte, was die Entscheidung des und Nordwesten her angesetzte Gegenangriff zwar anfangs 
Feldzuges bedeute. So brüllte denn die russische Artillerie gut vorwärts, stockte aber später vor dem stark besetzten Walde, 
über das Land, die Infanterie lief in geschlossenen Massen an, in den der Feind trotz schwerster Beschießung unsererseits 
obwohl das Kampffeld, auf dem noch die Toten vom 1. und fortgesetzt Verstärkungen, namentlich auch Maschinengewehre, 
Z. September lagen, schon einen grauenhaften Anblick bot, nachzog. So konnten erst am späten Nachmittag unsere 
aber ihr Los war, im Zusammenbruch hinzusinken, jeder Truppen in den Nordteil Korytnica eindringen und darüber 
Sturm wurde durch das ihm entgegengeschleuderte Feuer hinaus etwas Raum gewinnen, aber immer wieder wurden 
zermalmt. Die nachhaltigsten Anstrengungen der Russen unsere im Laufe der Nacht und am Morgen des 21. September 
richteten sich gegen Mitte und Nordflügel des Korps Beck- geführten Vorstöße von starken russischen Kräften aufgefangen, 
mann und gegen die Front des Korps S z n r m a y. so daß von einer Fortsetzung des Gegenangriffes vorläufig 
Wohl konnten sie da und dort bis an unsere stacheligen Sperr- abgesehen werden mußte, bis genügend Kräfte und entsprechend 
drähte herangelangen, in denen Hunderte von Russenleichen starke schwere Artillerie zur Stelle waren, 
hingen, vielleicht auch einmal durch zerschossene Hindernis- Am Vormittag des 27. September begann zahlreiche 
stücke in die Gräben eindringen, dort aber erfüllte sich jedes- österreichisch-ungarische und deutsche Artillerie die Stellungen 
mal ihr Schicksal im furchtbarsten, von wilder Erbitterung der Russen zu bearbeiten und nach fünfstündiger präsizer 
gestärkten Nahkampf. , Vorbereitung schritten die Truppen des Generals v. Kleist 
Um 6Uhr nachmittags setzten nach kurzer, außergewöhn- und des GL. v. Runkel kurz nach Uhr nachmittags 
lich heftiger Artillerievorbereitung die letzten, ergebnislosen zum Sturm, der am Nord -und Südflügel in Anwesenheit 
Jnfanteriestürme ein und mit dem sinkenden Tag war kein des GO.v.Tersztyanszky bald in unsere alten Stel- 
Grabenmeter in den Händen der erschöpften Russen. lungen vom 20. September führte. 
Nach diesem neuerlichen Mißerfolg verhielten sie sich — Zu einem äußerst schweren Ringen gestaltete sich am 
abgesehen von einigen schwächlichen und im Keim erstickten Abend die Fortsetzung des Gegenangriffes bei der Mitte der 
Angkiffsversuchen am \y. — ruhig und ließen erst wieder Angriffsfront, also im Walde nördlich Korytnica, wo nach 
am 19. ihre Geschütze spielen. Aber trotzdem diese, besonders Gefangenenaussagen starke russische Kräfte zu einem für den 
gegen Korps S z u r m a y und gegen Südflügel : nd Mitte 28. September beabsichtigten neuen Angriff bereitgestellt 
des X. Korps eine noch stärkere Sprache redeten als am 16. waren. Es kam in dem dichten Laubwalde, der an und für 
und trotz zweifelloser Angriffsabsichten, gelangten ausge- sich das Vorwärtskommen ungemein erschwerte, zum Hand- 
sprochene Jnfanterieangriffe nur an einzelnen Stellen zur gemenge und zu Handgranatenkämpfen, in denen die Russen
	        
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