Volltext: Die orientalische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (1 ; 1937)

§ 8. Die Regierung Salomos (um 970—930) 
63 
Jerusalem, der Ephraimite Jerobeam, das Vertrauen des Königs ge 
wonnen hatte und von ihm zum Fronvogt über Ephraim eingesetzt 
worden war, reifte in seinem ungestümen Geiste der Entschluß, das 
Joch des zentralisierten Staates abzuschütteln. Der gegen Salomo 
als einem Gönner der fremden Kulte eifernde Ahia von Silo unter 
stützte die kühnen Pläne Jerobeams und prophezeite ihm Erfolg. 
Eines Tages ergriff Ahia den Mantel Jerobeams, riß ihn in zwölf 
Stücke und gab zehn davon seinem aufrührerischen Stammesgenossen 
mit den Worten zurück: »Siehe, ich will das Königtum aus der Hand 
Salomos reißen und will dir zehn Stämme geben« (I. Könige n, 31). 
Dem König blieben indessen diese hochverräterischen Pläne nicht 
unbekannt, und so mußte sein aufständischer Fronvogt nach Ägypten 
fliehen, um dort günstigere, Zeiten abzuwarten (s. unten, § 9). 
Zu den innerpolitischen Schwierigkeiten gesellten sich auch noch 
außenpolitische. In Ägypten war inzwischen eine neue, die XXII. 
Dynastie zur Herrschaft gekommen. Der neue Pharao Schischak er 
hielt die freundschaftlichen Beziehungen zu Israel nicht mehr auf 
recht und gewährte daher Jerobeam gern Zuflucht. Zugleich unter 
stützte er einen anderen Flüchtling, den edomitischen Königssohn 
Hadad, der sich seinerzeit, nach der Unterwerfung Edoms durch 
David, nach Ägypten gerettet hatte. Nunmehr kehrte Hadad in 
seine Heimat zurück, zettelte einen Aufstand an und fiel in die israe 
litischen Grenzgebiete ein. Um die gleiche Zeit erhoben sich die 
Aramäer in Damaskus und vertrieben den dort residierenden israeli 
tischen Statthalter. Das langjährige friedliche Königtum Salomos 
hatte den kriegerischen Geist der Israeliten geschwächt, und der ver 
weichlichte König sorgte nicht genügend für die Abwehr der von 
Nord und Süd drohenden Gefahren. 
So ballten sich am Ende der Regierung Salomos von neuem 
schwere Gewitterwolken am politischen Horizonte zusammen. 
Salomo sollte die Krise allerdings nicht mehr erleben. Er starb um 
930, nach einer fast vierzigjährigen Regierung. Mit seinem Tode 
findet die hundertjährige Periode des Bestehens eines geeinten israe 
litischen Reiches ihren Abschluß, eine Periode des intensiven Wachs 
tums, die Israel einen hervorragenden Platz unter den anderen gro 
ßen Zivilisationen des Orients sicherte. Kurz, aber bedeutungsvoll ist 
diese Periode in der Geschichte des israelitischen Volkes. Unter den 
drei Königen Saul, David und Salomo kommt es zu einer intensiven 
Entfaltung nicht nur der politischen, sondern auch der geistigen 
Individualität der israelitischen Nation. Die nationale Religion ent
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.