5 8. Die Regierung Salotnos (um yyo—930)
Nach der Vollendung des Gotteshauses ging man an die Errich
tung des Königshauses, die fünfzehn Jahre in Anspruch nehmen
sollte. Der aus mehreren, durch innere Gänge verbundenen Gebäuden
bestehende Palast schloß sich unmittelbar an den Tempel an. In der
»Gerichts-« oder »Thronhalle« war der prunkvolle Königsthron auf
gestellt. Hier sprach Salomo Recht und empfing die Gesandten
fremder Länder. Der Hügel im Osten Jerusalems, auf dem sich der
Tempel und der Königspalast erhoben, war von einer festen Mauer
umgeben. Es war dies die Akropolis der Hauptstadt Israels.
Mit Prachtbauten geschmückt, wurde Jerusalem zu einer verkehrs
reichen Stadt, zum Mittelpunkt des politischen, wirtschaftlichen und
geistigen Lebens des Landes. Bis dahin in den Kreis der palästinen
sischen Völkerschaften gebannt, hatte nun Israel Anteil gewonnen
an den glänzendsten Errungenschaften der altorientalischen Zivili
sation. Die israelitisch-phönizische Handelsflotte und die Karawanen
aus fernen Ländern trugen überallhin den Ruhm des erleuchteten,
»weisen Salomo«, der, gleich den ägyptischen und babylonischen
Herrschern, seine Regierungszeit in Steinbauten zu verewigen suchte.
Der König soll auch Sprüche »über die Tiere, die Vögel, das Ge
würm und die Fische«, d. h. Tierfabeln gedichtet haben. »Aus allen
Völkern«, kamen Königsboten, um Salomos Weisheit zu vernehmen.
Um den König »mit Rätseln auf die Probe zu stellen«, erschien eines
Tages in Jerusalem, wie die Urkunde berichtet, sogar die Königin
von Saba (wohl Äthiopien) in eigener Person. Sie überzeugte sich,
daß die Weisheit des Königs von Israel noch viel größer sei, als man
ihr erzählt hatte, brachte ihm Gold und Edelsteine dar und kehrte
sodann, auch von ihm reich beschenkt, in ihr Land zurück. Der
historische Kern dieser Sage liegt in der Tatsache, daß die Entwick
lung des Seehandels eine Annäherung zwischen den Fürsten ferner
Länder und dem Herrscher Palästinas angebahnt hatte. Ähnliche
Sagen haben sich übrigens auch über den Zeitgenossen und Freund
Salomos, den König von Tyrus, Hiram, erhalten. Die volkstümlichste
unter diesen Legenden ist die Sage von dem »Salomonischen Urteil«.
Zwei Frauen, die in einem Hause wohnten und gleichzeitig nieder
gekommen waren, fanden eines Morgens das eine der neugeborenen
Kinder tot auf und stritten sich nun darum, wem das lebende Kind
gehöre. Da ließ Salomo ein Schwert bringen und sprach zu seinen
Knechten: »Schneidet das lebende Kind entzwei und gebt der einen
die Hälfte und der anderen die Hälfte!« Entsetzt flehte die eine der
Frauen den König an, das Kind lieber lebendig der anderen zu geben;
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