Volltext: Die orientalische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (1 ; 1937)

Die babylonische Hegemonie (638—1099) 
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Verkehr mit den Gaonen Babyloniens. Die eigentliche Blütezeit des 
jüdischen Kulturzentrums in Nordafrika begann aber erst mit der 
Entstehung des Kalifats der Fatimiden, deren Stammsitz, wie erin 
nerlich, Kairuan gewesen war. Es traten nunmehr dort »Oberrabbi 
ner« hervor, die — wie der aus Süditalien oder Byzanz stammende 
R. Chuschiel, der durch seinen Briefwechsel mit dem Gaon Scherira 
berühmt gewordene Jakob ben Nissim und deren Söhne Nissim und 
Chananel (970—1050) — von der Nachwelt in den hohen Rang von 
Gaonen erhoben wurden (vgl. unten, § 67). Indessen bildete Maghreb 
nur eine Zwischenstation auf dem Wege des sich von Ost nach West, 
von Asien nach Europa verschiebenden Zentrums der nationalen He 
gemonie. Als die Berberländer von Ägypten abfielen und zur Do 
mäne der kriegerischen, eine strenge Askese predigenden Sekte der 
Almoraviden und später der Almohaden wurden, geriet das provi 
sorische nordafrikanische Zentrum in Verfall und die besten geistigen 
Kräfte der dortigen Judenheit wanderten nach Spanien aus. 
Die Wendung in der jüdischen Geschichte, die mit dem Wechsel 
der geographischen Grundlage der nationalen Hegemonie verbunden 
war, bildet den Gegenstand einer Sage aus dem 12. Jahrhundert, die 
die Ereignisse folgendermaßen versinnbildlicht. Um die Mitte des 
10. Jahrhunderts seien Sendboten aus Babylonien, die den Auftrag 
gehabt hätten, Spenden für gemeinnützige Zwecke zu sammeln, in 
der Nähe des griechischen Archipels in Gefangenschaft geraten und 
von ihren Glaubensgenossen an verschiedenen Orten Mann für 
Mann losgekauft worden. Einer der Gefangenen, Schemaria ben El- 
chanan, habe in Alexandrien die Freiheit wiedererlangt und sei spä 
ter zum Oberhaupt der ägyptischen Juden gewählt worden. Einen 
anderen, R. Chuschiel, habe man nach Kairuan verschleppt, wo ihn 
die Judenheit von Maghreb zu ihrem geistigen Führer gemacht habe. 
Außer diesen uns schon bekannten Gelehrten erwähnt die Sage fer 
ner einen losgekauften Gefangenen namens Moses, der zusammen 
mit seinem Sohne Chanoch nach Spanien verschlagen worden sei. 
Dort seien beide zu Pionieren der rabbinischen Gelehrsamkeit im 
Abendlande geworden. Die Vorsehung selbst, so schließt die Erzäh 
lung, habe also noch vor dem Verfall der Akademien Babyloniens 
für die Entstehung neuer Pflanzstätten des talmudischen Wissens 
gesorgt.
	        
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