Volltext: Die orientalische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (1 ; 1937)

§ 66. Autonome Zentren in Palästina und Ägypten bis zu den Kreuzzügen 
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— ein Glaube, an dem die Sekte der am Libanon siedelnden Drusen 
noch heute festhält. 
Die Wunden, die Al-Hakim den Juden beigebracht hatte, sollte 
sein Nachfolger Az-2ahir (1020—1036) wieder heilen. Nach seiner 
Thronbesteigung verkündete er, daß er Christen und Juden seinen 
hohen Schutz gewähre, und verwies darauf, daß man »niemanden 
gewaltsam gläubig machen könne». Nicht weniger als das Toleranz 
edikt des Despoten kam aber den Juden die Tatsache zugute, daß 
zwei jüdische Kaufleute aus Persien, die Brüder Al-Tustari 3 sich bei 
Hofe unentbehrlich zu machen verstanden. Einer von ihnen hatte 
dem Kalifen eine schwarze Sklavin von blendender Schönheit zu 
geführt, die diesen ganz in ihren Bann zwang. Der Sohn, den ihm 
die Sklavin geboren hatte, wurde unter dem Namen Al-Mustansir 
auch sein Nachfolger auf dem Fatimidenthron (1036—1094). Da 
der neue Kalif bei seiner Thronbesteigung erst sieben Jahre alt war, 
wurde das Reich bis zu seiner Volljährigkeit von seiner Mutter, der 
»Walida«, d. h. der Kalifenwitwe, verwaltet, die nichts unternahm, 
ohne die Brüder Al-Tustari, denen sie ihren märchenhaften Aufstieg 
verdankte, zu Rate zu ziehen. Die jüdischen Favoriten gerieten in 
dessen immer wieder in Konflikt mit jenen Beamten, die die tatsäch 
liche Verantwortung für die Staatsgeschäfte zu tragen hatten, und 
fielen schließlich einer Verschwörung zum Opfer, an deren Spitze 
der Wesir Sadaka ben Jussuf, ein zum Islam übergetretener Jude, 
stand (1048). Etwa dreißig Jahre später, noch während der Regie 
rungszeit des schwächlichen, von seinem jeweiligen Wesir völlig ab 
hängigen Al-Mustansir, büßte das Fatimidenreich den größten Teil 
seiner asiatischen Besitzungen ein. 
Im innerjüdischen Leben war die Epoche der Faitmidenherr- 
schaft eine Zeit unausgesetzter Restaurationsversuche, die darauf 
abzielten, an Stelle des immer mehr verfallenden Zentrums in Baby 
lonien auf ägyptischem oder palästinensichem Boden neue Zentren 
der nationalen Hegemonie zu schaffen. Zwischen den großen jüdi 
schen Gemeinden in Fostat-Kairo und Alexandrien, wo die jüdische 
Bevölkerung einerseits in eine babylonische und eine palästinensische 
Landsmannschaft, andererseits in die Sondergruppen der Talmudi- 
sten und Antitalmudisten zerfiel, und den Gemeinden Palästinas, 
unter denen die von Jerusalem erneut eine führende Stellung ein 
nahm, liefen Fäden herüber und hinüber. Die ägyptischen Juden 
unterstützten ihre bedürftigen Brüder im Heiligen Lande und be 
trachteten es als Ehrenpflicht, Glaubensgenossen, die nicht selten
	        
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