S 64. Nachfolger Mohammeds und Kalifat der Omajjaden (632—730)
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bylonien, das fortan Irak hieß, zur Hauptstadt des gesamten Kalifats.
Nunmehr zeigte es sich, daß die Toleranz, die von den Muselmanen
den Andersgläubigen gegenüber als Äquivalent für deren Sonderbe
steuerung geübt worden war, für die Entwicklung der Autonomie der
jüdischen und auch der christlichen Gemeinden im Irak überaus gün
stig war. Bereits unter Omar scheint das durch die Wirren der Reli
gionskriege stark in Mitleidenschaft gezogene Exilarchat einen neuen
Aufschwung genommen zu haben. Erbe der Exilarchenwürde war
damals der junge Bostanai, der von dem Kalifen der Rechtgläubigen
nicht nur in dieser Würde bestätigt wurde, sondern als Davidide so
gar eine in arabische Gefangenschaft geratene Prinzessin, angeblich
die Schwester des letzten persischen Königs Jesdegerd, zur Frau er
hielt. Bostanai war beim Volke sehr beliebt, und noch im 12. Jahr
hundert wallfahrteten die babylonischen Juden, wie berichtet wird,
zu seinem Grab in Pumbadita. Die endgültige Restauration der jüdi
schen Autonomie erfolgte unter Ali, der als Häretiker erst nach har
tem Kampf zur Macht gelangt war. Der Schwiegersohn des Prophe
ten gehörte nämlich der Sekte der Schiiten an (ihr Mitbegründer
war der zum Islam übergetretene arabische Jude Abdallah ben Saba),
die das Dogma von der Wiederkunft Mohammeds vor dem Weit
ende aufgestellt und Ali zum rechtsmäßigen Sendboten Allahs prokla
miert hatte. Wohl unter dem Einfluß seiner von jüdisch-christlicher
Mystik angehauchten Umgebung verlieh der Kalif dem jüdischen Ge
lehrten Mar-Isaak, dem Rektor einer der alten babylonischen Tal
mudakademien, eine hohe geistliche Würde, deren Träger in der
Folgezeit zu Rivalen der Exilsfürsten werden sollten. Es steht jeden
falls fest, daß von dieser Zeit an die Vorsteher der Akademien von
Sura und Pumbadita den neuen Titel Gaonen führten (die eigentliche
Bedeutung des hebräischen Wortes »Gaon« — Mehrzahl »Geonim« —
ist etwa »Stolz«, »Zierde«).
Nach dem Tode Alis fiel die Kalifenwürde an seinen Hauptgeg
ner Muawija, den Eroberer Syriens, der im arabischen Kalifat die
erste Dynastie, die der Omaj jaden (660—/yoj, begründete. Zur
Reichshauptstadt wurde Damaskus erhoben, und dadurch stieg zu
gleich die politische Bedeutung des Syrien benachbarten Palästina.
Dementsprechend versuchte der hervorragendste Vertreter der neube
gründeten Dynastie, Abd-al-Malik (685—705), den Strom der musel
manischen Pilger dem arabischen Heiligtum in Mekka abspenstig zu
machen und der Aksa-Moschee in Jerusalem zuzuführen, die zu
einem prächtigen Bauwerk erweitert worden war. Der jugendlich