5 S4‘ D as geistige Lehen unter dem Synhedrlon von Jahne
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kommen war, mit dem römischen Bürgerrecht, einem Landgut in
Judäa und einem Jahresgehalt bedacht. In nicht minderer Gunst
stand er bei den Nachfolgern Vespasians, bei Titus und sogar bei
dem grausamen Domitian. So konnte sich Flavius Josephus dreißig
Jahre lang, bis um die Wende des i. Jahrhunderts, ungestört und In
aller Ruhe seiner literarischen Tätigkeit widmen.
Seine Darstellung der Geschicke des jüdischen Volkes begann
Flavius Josephus, der nicht nur die Methoden der griechischen und
römischen Geschichtsschreibung meisterlich beherrschte, sondern
auch über eine große künstlerische Begabung verfügte, mit einer
ausführlichen Schilderung des von ihm selbst miterlebten sieben
jährigen Unabhängigkeitskampfes Judäas. Er schrieb in seiner Mut
tersprache, hebräisch oder aramäisch, und übersetzte sodann den
ausgearbeiteten Text mit Hilfe befreundeter Griechen ins Griechi
sche. Nach Vollendung seines ersten, »Über den jüdischen Krieg«
betitelten Geschichtswerkes (um 79; gewöhnlich zitiert unter dem
Titel »De bello judaico«) legte er es Vespasian, Titus, Agrippa TI.
und anderen Teilnehmern des jüdisch-römischen Krieges vor, die
ihm die Wahrheitstreue seiner Schilderung bestätigten. In seiner
Darstellung hatte sich der Verfasser von dem doppelten Bestreben
leiten lassen, sowohl der nationalen Ehre der Juden als auch dem
römischen Reichspatriotismus Genüge zu tun. Daraus erklärt sich,
daß in seinem Werke einerseits der erhabene Heroismus des um seine
Freiheit kämpfenden Volkes voll zum Ausdruck kommt, anderer
seits gerade die entschlossensten Freiheitskämpfer, die Zeloten, als
»Wahnsinnige« und »Räuber« gebrandmarkt werden. Gleichwohl
ist ein lebensvolleres und künstlerisch vollendeteres Bild eines Frei
heitskrieges kaum je gegeben worden, und so erscheint der Verfasser
von »De bello judaico« als würdiger Nachfolger der biblischen und
apokryphischen Geschichtsschreiber. Nicht weniger bedeutsam ist
das zweite, zwanzig Bücher umfassende historiographische Werk des
Josephus »Jüdische Altertümer« (vollendet um 94; gewöhnlich zi
tiert als »Antiquitates judaicae«), das die ganze Geschichte des jüdi
schen Volkes bis zum Ausbruch des großen Krieges gegen Rom be
handelt. Als Quellen dienten dem Verfasser außer Bibel und Apo
kryphen noch viele andere, heute zum größten Teil verschollene
Werke jüdischer und griechischer Chronographen, sowie mündliche
Überlieferungen. Häufig aber legt er in Anlehnung an die klassischen
Vorbilder der rhetorischen Historiographie seinen Helden selbst
erdichtete Reden in den Mund. Am wertvollsten sind die letzten