Volltext: Die orientalische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (1 ; 1937)

Judaismus, Hellenismus und Christentum 
es als gerecht, daß die Juden in unserem gesamten Reiche ihren her 
kömmlichen Gebräuchen ohne alle Anfechtungen treu bleiben, doch 
unter der Bedingung, daß sie sich duldsam benehmen und die reli 
giösen Gebräuche anderer Völker nicht verachten.« Aus dem Wort 
laut dieses Erlasses ist zu ersehen, wie gespannt die Beziehungen 
zwischen Heiden und Juden in der gesamten Diaspora waren. Auch 
Alexandrien machte hiervon kfcine Ausnahme. 
Es war in der Tat nicht leicht, die einmal aufgepeitschten Leiden 
schaften wieder zu bändigen. Die in der Kosmopolis am Nil in Wort 
und Schrift entfaltete judenfeindliche Agitation ließ nicht nach. Ein 
typischer Wortführer der alexandrinischen Judenfeinde war zu 
dieser Zeit der uns schon bekannte »Grammatiker« Apion (oben, 
§44), der sich durch seine Vorträge über Sitten und Bräuche ver 
schiedener Völker einen Namen gemacht hatte. Die hemmungslose 
Prahlsucht dieses Wander-Rhetors aus Alexandrien gab Plinius dem 
Älteren Anlaß, ihn als »Pauke seines eigenen Ruhms« zu verspotten. 
Dieser Aufschneider war es nun, der den literarischen! Vernichtungs 
feldzug gegen das Judentum eröffnete. Er fügte in seine »Ägyptischen 
Bücher« eine skrupellose Schmähschrift gegen die Juden im allgemei 
nen und die alexandrinischen Juden im besonderen ein, in der er die 
Erfindungen des Manetho (oben, §31) durch seine eigenen ergänzte. 
So erzählte er, daß die Juden bis zur Zeit des Antiochus Epiphanes 
im Jerusalemer Tempel einen goldenen Eselskopf angebetet hätten 
und daß es ferner bei ihnen religiöser Brauch gewesen sei, alljährlich 
irgend einen Griechen zu rauben, ihn ein Jahr lang zu mästen und 
dann nach besonderem Ritus zu töten. Die Judenverfolgung im 
Jahre 38 war eine der Folgen dieser Hetzkampagne, die darauf 
hinauslief, die jüdischen Einwohner Ägyptens als des Bürgerrechts 
unwürdige Eindringlinge hinzustellen. Doch tat die literarische Pro 
paganda des Apion auch weit über die Grenzen Ägyptens hinaus 
ihre schädliche Wirkung. Seine gemeine Schmähschrift war die 
Quelle, aus der die größten Schriftsteller der Antike, ein Plutarch, 
Tacitus usw., ihre verzerrten Begriffe von der Religion und der 
Lebensweise der Juden schöpften. Allerdings sollte der Gegenstoß 
von jüdischer Seite gegen den gewissenlosen Alexandriner auch in 
der Literatur nicht ausbleiben: Josephus Flavius entlarvte ihn in 
seiner Schrift »Über das hohe Alter des jüdischen Volkes« oder 
»Gegen Apion« als schamlosen Lügner und gab ihn so der Lächer 
lichkeit preis. 
Solange Claudius lebte, mußten sich die alexandrinischen Juden- 
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