Volltext: Die orientalische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (1 ; 1937)

Judaismus, Hellenismus und Christentum 
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seinem Großvater war Gamaliel bestrebt, das Recht mit dem Leben 
in Einklang zu erhalten. Besonderen Wert legte er auf die Pflege der 
Beziehungen zu den Gemeinden in der Provinz und in der Diaspora, 
die er im Namen des Synhedrion an das Herannahen der Jahresfeste, 
an ihre Pflichten der Jerusalemer Priesterschaft gegenüber u. dgl. zu 
erinnern pflegte. Hier der Wortlaut eines uns überlieferten Send 
schreibens des Gamaliel: »Unseren Brüdern in Ober- und Unter 
galiläa, möge sich euer Wohlstand mehren! Wir tun euch kund, daß 
die Zeit des Abscheidens des Zehnten gekommen ist, beeilet euch 
darum, den Zehnten von der Olivenlese abzuscheiden.« Ebenso wie 
Hillel, zeichnete sich Gamaliel durch große Duldsamkeit aus, die 
unter anderem darin zum Ausdruck kam, daß er das den Armen 
zustehende Recht auf die Ernteüberreste auch den in Judäa ansässigen 
Fremden zuerkannte. 
Eine gerade entgegengesetzte Tendenz den Fremden gegenüber 
wurde unter dem Sohne Gamaliels, Rabbi Simon (60—68), im Syn 
hedrion richtunggebend. Als im Jahre 66 die blutigen Nationalitäten 
kämpfe in Palästina und der Diaspora entbrannten (oben, § 45), 
erließen die Jerusalemer Gesetzeslehrer mit R. Simon an der Spitze 
»achtzehn Regeln«, durch die die strengste Absonderung der Juden 
von den Fremdstämmigen erreicht werden sollte. Den Juden wurde 
untersagt, Nahrungsmittel bei den Heiden zu kaufen, in ihrer Sprache 
zu reden, geschweige denn in verwandtschaftliche Beziehungen mit 
ihnen zu treten usw. Es war dies gleichsam ein Kodex des Kriegs 
rechts, Repressalien, die dazu bestimmt waren, die jüdische Nation 
von den feindlichen Elementen zu säubern, die mit Billigung der 
Römer die Juden in deren eigenem Lande befehdeten. Nach den 
ersten Erfolgen der Revolution trat Simon ben Gamaliel, wie erinner 
lich, in die Regierung der nationalen Verteidigung ein. Sein ge 
mäßigter Zelotismus vermochte ihn indessen vor dem Mißtrauen der 
extremen Parteien nicht zu schützen, und so fiel auch er als Opfer 
der Umwälzung, die die Gewalt in die Hände der Extremisten gab. 
Es ist ungewiß, ob er von der Hand der Sikarier oder aber nach der 
Einnahme Jerusalems von der Hand der Römer fiel. 
Als der Untergang des in den letzten Zügen liegenden jüdischen 
Staates nicht mehr abzuwenden und das Ringen um die Überreste der 
politischen Autonomie völlig aussichtslos geworden war, rafften sich 
die Führer der gemäßigten Pharisäer dazu auf, wenigstens das zu 
retten, was von der geistigen Autonomie des Volkes noch zu retten 
war. Neben den Helden, die bereit waren, im Kampfe gegen Rom
	        
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