Volltext: Die orientalische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (1 ; 1937)

Das römische Protektorat (63 vor der chrisl. bis 6 der christl. Ära) 
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aneinander sowie an das Mutterland und desto fester wurden die 
alle zusammenhaltenden nationalen Bande. 
Das Hauptzentrum der Diaspora war nach wie vor Ägypten, 
das im Jahre 30 vor der christl. Ära zu einer römischen Provinz 
geworden war und bereits ein halbes Jahrhundert später bei einer 
Gesamtbevölkerung von etwa acht Millionen eine Million jüdischer 
Einwohner zählte. Die ägyptischen Juden erfreuten sich voller Gleich 
berechtigung und überdies einer weitgehenden Selbstverwaltung, da 
Julius Caesar wie Augustus in ihnen die zuverlässigste Bevölkerungs 
schicht des niedergerungenen Ptolemäerreiches sahen. Unter den 
vielen ägyptischen Gemeinden ragte in jeder Hinsicht die von 
Alexandrien hervor, wo von fünf Stadtbezirken zwei vorwiegend 
von Juden bewohnt waren. An der Spitze des die Gemeinde ver 
waltenden Ältestenrates, der »Gerusia«, stand der Ethnarch und spä 
ter der »Alabarch« (eine Bezeichnung, deren Etymologie rätselhaft 
bleibt); diesem oblag die Steuereintreibung, und er besaß infolge 
dessen einen bedeutenden politischen Einfluß. Die Tatsache, daß die 
neuen Herren Ägyptens der jüdischen Bevölkerung über das Voll 
bürgerrecht hinaus auch noch die innere Autonomie zuerkannt hat 
ten, führte indessen dazu, daß sich die Mißgunst der romfeindlichen 
Griechen gegen die Juden, die ihnen als Handelsrivalen schon längst 
ein Dorn im Auge waren, noch weiter verschärfte. Dieser sowohl 
auf politische als auf wirtschaftliche Gründe zurückgehende Gegen 
satz sollte gar bald in eine offene Judenhetze ausarten (unten, § 44). 
Der Verkehr der ägyptischen Kolonie mit dem jüdischen Mutter 
lande war in der Epoche des römischen Protektorats besonders rege. 
Zwar bestand der Oniastempel mit dem Opferaltar zu Leontopolis 
weiter fort (oben, § 36), doch wallfahrteten, wie ein Zeitgenosse, 
der jüdische Philosoph Philo, bezeugt, »viele Tausende zu jedem 
Feste nach dem Tempel (in Jerusalem)«, für dessen Unterhalt im 
ganzen Nillande auch regelmäßig Abgaben entrichtet zu werden 
pflegten. Die überwiegende Mehrheit der Juden Ägyptens mußte 
sich allerdings mit der Teilnahme am öffentlichen Gottesdienst in 
den im Lande selbst bestehenden Synagogen begnügen. Durch be 
sondere Pracht zeichnete sich die Hauptsynagoge von Alexandrien 
aus, in der (einem talmudischen Bericht zufolge) jeder der in der 
Gemeinde vertretenen Berufsgruppen ein besonderer Platz zugeteilt 
war: »Die Goldschmiede saßen für sich, die Silberschmiede für sich, 
dann kamen die Schmiede, dann die Erzgräber, die Weber. Kehrte 
dort ein Fremder oder ein Hilfsbedürftiger ein, so erkannte er so
	        
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