Das unabhängige Judäa unter den Hasmonäern
in dem das individuelle Prinzip ein entscheidendes Übergewicht über
das nationale gewonnen hatte, sich allmählich dem Judentum ent
fremdete, um in das chaotische Gewoge der jüdisch-hellenistischen
Glaubenslehren hineingerissen und zum Mutterboden des Christen
tums zu werden (unten, § 50).
§ 36. Die Literatur in Jud'äct und der Diaspora
Der Aufschwung des nationalen Geistes in der Hasmonäerepoche
mußte in Judäa auch eine Neubelebung des geistigen Schaffens mit
sich bringen. Indessen scheint der Kampf der drei Weltanschauun
gen: des Pharisäertums, Sadduzäertums und Essäertums, der, obwohl
selbst eine Folge dieses Aufschwungs, die schöpferischen Kräfte der
Nation fast völlig absorbierte, der Entwicklung des Schrifttums hin
dernd im Wege gestanden zu haben. Diese Vermutung findet ihre
indirekte Bestätigung in der Tatsache, daß die literarische Produk
tion der Diaspora-Juden im selben Zeitraum wenigstens quantitativ
hinter derjenigen in der Metropole nicht zurückblieb. Dabei Ist frei
lich nicht außer acht zu lassen, daß in Judäa in dieser Epoche dank
den Pharisäern die Flut der »mündlichen Lehre« immer höher an-
stieg, um erst viel später in den uns erhaltenen Schriftdenkmälern
ihren Niederschlag zu finden.
Die wertvollste literarische Schöpfung der Hasmonäerzeit ist das
Geschichtswerk, das uns unter dem Namen »Erstes Makkabäerbuch«
überliefert Ist. In den fünfzehn Kapiteln dieses Buches ist der Ver
lauf des Freiheitskampfes Judäas vom Hasmonäeraufstand bis zum
Tode des Fürsten Simon dargestellt. Seinem Stil und seiner klaren
pragmatischen Darstellungsweise nach steht das »Erste Makkabäer
buch« den besten biblischen Geschichtsbüchern nicht nach, unter
scheidet sich aber von diesen durch seine weltlich-politische Grund
einstellung: die Erfolge der »Makkabäer« werden nicht so sehr auf
das Eingreifen Gottes als vielmehr auf den Heldenmut und den poli
tischen Weitblick der handelnden Personen zurück geführt. Der un
bekannte Verfasser ist ein unentwegter Anhänger der Hasmonäer-
dynastie, in der er die von Gott berufene Befreierin Judäas sieht
(s.z.B. Kap. 5, 62). Ein feuriger Patriot, ergeht er sich in Lob
preisungen der Chassidäer und verurteilt aufs schärfste die »gott
losen« Hellenisten. Und doch ist uns von dem ursprünglich in
hebräischer Sprache abgefaßten Buch lediglich die in die »Septuaginta«