Volltext: Die orientalische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (1 ; 1937)

§ 3$. Das innere Lehen in Judäa und in der Diaspora 
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Die beiden Gelehrten befaßten sich eifrig mit der Reform der Prozeß 
ordnung. In den uns überlieferten Aussprüchen Simons und Judas 
ermahnen die beiden Pharisäerführer, bei einer gerichtlichen Unter 
suchung äußerste Sorgfalt walten zu lassen: »Handle nicht wie ein 
Sachwalter vor Gericht! — so ermahnen sie den Richter — Solange 
die Prozeßparteien vor dir stehen, behandle beide Gegner als unge 
recht, sobald sie aber entlassen sind und sich dem richterlichen 
Spruche unterworfen haben, sollst du sie als gerecht ansehen.« »Ver 
nimm sorgfältig die Zeugen — so lautet ein anderer Ausspruch — 
gehe indessen behutsam mit deinen Fragen vor, damit die Zeugen 
nicht zu falschen Aussagen verleitet werden.« Der Sage zufolge soll 
Simon ben Schetach »das Gesetz in seinen früheren Grenzen wieder 
hergestellt«, d. h. der von den Sadduzäern abgelehnten mündlichen 
Lehre zu neuer Geltung verhelfen haben. Die wichtigsten Reformen 
Simons betrafen das Familienrecht und das Erziehungswesen. Er ver 
lieh der »Ketuba«, d. i. dem schriftlichen Ehevertrag, in dem der 
Mann bei der Eheschließung der Frau für den Fall seines Todes oder 
einer Scheidung eine bestimmte Geldsumme zusicherte, feste Formen 
und ordnete ferner an, daß »die Kinder zur Schule gehen müssen«, 
womit die allgemeine Schulpflicht eingeführt wurde. 
Die talmudische Tradition zählt Simon ben Schetach und Juda 
ben Tabai jenen Gelehrten-Paaren zu, die die lebendige Kette der 
mündlichen Überlieferung verkörperten. Die Wahlsprüche dieser 
»Paare«, die in der Hasmonäerepoche anscheinend nacheinander im 
Obersten Gericht oder Synhedrion die Führung innehatten, sind im 
Mischnatraktat »Aboth« (»Sprüche der Väter«) gesammelt. Während 
des Makkabäeraufstandes wirkte das Gelehrten-Paar Jose ben Joeser 
aus Zereda und Jose ben Jochanan aus Jerusalem, die letzten Reprä 
sentanten der Schule der Soferim, von denen die folgenden Sprüche 
stammen: »Möge dein Haus die Sammelstätte der Gelehrten sein, 
liege im Staube ihrer Füße und stille deinen Durst durch ihre Worte.« 
»Möge dein Haus für alle weit geöffnet sein und mögen die Armen 
deine Hausgenossen werden.« Diesem »Paare« folgten als Häupter 
des Gelehrtenstandes Josua ben Perachja und Nittai von Arbela, 
wahrscheinlich Zeitgenossen des Fürsten Jochanan-Hyrkanus. Von 
ihren Aussprüchen ist der folgende bezeichnend: »Suche dir einen 
Lehrer, erwirb dir einen (Studien-)Genossen und beurteile jeden Men 
schen in für ihn günstiger Weise.« Erst nach diesem »Paare« kamen 
Simon ben Schetach und Juda ben Tabai, die Vertreter des Pharisäer 
tums in der Epoche seines Triumphes. Fortan sah man die gelehrten
	        
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