Volltext: Die orientalische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (1 ; 1937)

Jüdische Theokratie — Entwicklung des Judaismus nach der Restauration 
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Sammlung überlieferten hebräischen Psalmen mit den erhalten ge 
bliebenen Hymnen der Babylonier übereinstimmen, möge die fol 
gende Gegenüberstellung zeigen: 
Babylonischer Hymnus 
Herr, Herrscher der Götter, der im 
Himmel und auf Erden allein erhaben 
ist... Ertönt dein Wort im Himmel, 
so werfen sich die Igigi (Himmelsgöt 
ter) auf ihr Antlitz, ertönt dein Wort 
auf Erden, so küssen die Anunaki (die 
irdischen Götter) den Boden. Zieht 
dein Wort oben wie ein Wetter dahin, 
macht es Weide und Tränke reichlich, 
erschallt dein Wort auf Erden, wird 
grünes Kraut erzeugt. Dein Wort läßt 
Wahrheit und Gerechtigkeit entstehen.. 
Dein Wort ist der ferne Himmel, die 
verdeckte Erde, die niemand schaut; 
dein Wort, wer kennet es, wer kommt 
ihm gleich?... (Aus dem Hymnus an 
den Mondgott Sin.) 
Biblischer Psalm 
Wer ist in den Wolken Jahve gleich, 
Jahve ähnlich unter den Götterwesen? 
Ein Gott schrecklich im Kreise der 
Heiligen, groß ist er und furchtbar 
über seine ganze Umgebung. Jahve, 
Gott Zebaoth, wer ist wie du? ... Du 
bist Herr über des Meeres Ungestüm, 
wenn seine Wellen sich heben, du be 
schwichtigst sie... Dein ist der Himmel, 
ja dein die Erde, der Erdkreis und was 
ihn füllt, du hast alles gegründet, Nord 
und Süd, du hast sie geschaffen ... Du 
hast heldenstarken Arm, gewaltig deine 
Hand, deine Rechte erhaben. Recht 
und Gerechtigkeit sind die Stütze dei 
nes Throns, Gnade und Treue stehen 
vor deinem Antlitz (Psalm 89, 7—15) 
Die auffallende Stilähnlichkeit darf indessen nicht darüber hinweg 
täuschen, daß in den babylonischen Hymnen die Stimmungen eines 
exklusiven Priestertums zum Ausdruck kamen, während sich in den 
biblischen Psalmen die in allen Schichten des jüdischen Volkes leben 
dige Frömmigkeit widerspiegelt. Aber auch abgesehen davon stehen 
die Gebete und Hymnen der Babylonier zu denen der Juden in dem 
gleichen Gegensatz wie der Polytheismus zum absoluten Monotheis 
mus. 
Die Anfänge der hebräischen religiösen Lyrik reichen, wie sich 
aus der textkritischen Analyse mancher Psalmen ergibt, bis in die 
Königszeit zurück. Daraus folgt jedoch nicht, daß die vom Redaktor 
des »Buches der Psalmen« David zugeschriebenen Kapitel (Psalm 
3—9 u. a.) tatsächlich von diesem herrühren. Eine ganze Reihe von 
Psalmen trägt Spuren ihres Ursprungs aus der Epoche des Unter 
gangs Judas und des babylonischen Exils, so der berühmte Psalm 139 
»An den Strömen Babels« (oben, § 19). Die patriotische Stimmung 
der aus Babylonien nach der Heimat zurückkehrenden Juden findet 
in den »Wallfahrtliedern« (Psalm 120—134) ihren Widerhall. Der 
größte Teil des Psalmenbuches jedoch stammt aus einer späteren, 
bis in die Periode der griechischen Herrschaft reichenden Zeit
	        
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