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§ I 7- Niedergang Assyriens und Triumph der Prophetenpartei
den Himmel, um es herabzuholen und es uns zu verkündigen, damit
wir danach tun?... Sondern überaus nahe liegt dir das Wort, in
deinem Munde und in deinem Herzen ist es, so daß du danach tun
kannst!« (Deuteronomium 30, 11—14). Bei der Schilderung der ver
derblichen Folgen einer Übertretung der göttlichen Gebote schwebte
dem Urheber der dem König Josia vorgelegten Fassung des Buches
offenbar das Los Samarias vor. Auch die Verheißung: »Jahve wird
dich wiederum sammeln aus allen den Völkern, unter die dich Jahve
verstreut hat« (Deuteronomium 30, 1—6), in die der an das Volk
gerichtete Aufruf zu reuiger Umkehr ausklingt, ist eine nicht miß-
zuverstehende Anspielung auf die aus dem nördlichen Reiche ver
triebenen Israeliten. Dem Zuge der Zeit entsprach ferner die eine Zen
tralisation des nationalen Kultes bezweckende Vorschrift, alle loka
len Kulte unnachsichtig auszurotten und dreimal jährlich, anläßlich
der großen Feste, zu der »von Gott erwählten Stätte«, d. h. nach
Jerusalem zu pilgern (Deuteronomium, Kap. 12 u. 16).
Tief ergriffen lauschte der König den ihm vor gelesenen Worten
Moses’, in denen genau dasselbe vorausgesagt war, was die Prophe
ten der jüngsten Zeit verkündet hatten. (Man vergleiche etwa Deu
teronomium 28,49 mit der fast wörtlich übereinstimmenden Stelle
aus dem Buche Jeremia 5,15.) Hatten sich doch alle in der »alten«
Urkunde für den Fall einer Übertretung der göttlichen Gebote an
gedrohten Strafen am Reiche Israel genau erfüllt! Wie hätte er da
nicht befürchten sollen, daß auch über das sündhafte Juda Unheil
hereinbrechen werde. In seiner Seelennot sandte Josia seinen Schrift
führer Safan und den Oberpriester Hilkia zu der in Jerusalem an
gesehenen Prophetin Hulda, um von ihr zu erfahren, ob das Volk,
bei dem die heiligsten Gesetze Jahves in Vergessenheit geraten waren,
auf Vergebung hoffen dürfe. Die Antwort der Seherin war, daß so
lange der vor Gott demütig wandelnde König am Leben sei, auch
seinem Volke keine Gefahr drohe. Daraufhin berief Josia die Volks
ältesten aus dem ganzen Lande in den Jerusalemer Tempel und ver
las dort vor dem versammelten Volke das neu entdeckte Buch. Alle
gelobten, die darin auf gezeichneten göttlichen Gebote aufs genaueste
zu befolgen. Zu denjenigen, die »die Leute von Juda und die Ein
wohner von Jerusalem« auf den neuen »Bund«, d. h. auf die neue
geschriebene Verfassung vereidigten, gehörte auch der Prophet Je
remia (Jeremia 11, zff.). Nunmehr ging der König mit noch größerem
Eifer als seinerzeit sein Ahne Hiskia an die Ausrottung aller von
der nationalen Religion abweichenden Kultformen. Die Altäre außer-