Volltext: Die europäische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (2 ; 1937)

Das Zeitalter der Kreuzzüge (1096—1215) 
durch die Taufe die Begnadigung zu erkaufen, wiesen die Verurteil 
ten entschlossen von sich. So< wurde denn der Scheiterhaufen in Brand 
gesteckt, und die unbeugsamen Glaubenshelden fanden in den Flam 
men den Tod (am 26. Mai). Noch aus dem Flammenmeer heraus er 
scholl die synagogale Flymne »Alenu«, diese stolze Flerausforderung 
an die heidnische Welt. Der Bannerträger des zweiten Kreuzzugs, 
König Ludwig VII. (1137—1180), bei dem die Führer der Pariser 
jüdischen Gemeinde über die Untat von Blois nachträglich Klage 
führten, hatte allerdings für die Blutlüge nichts übrig und gab seinen 
Behörden den Befehl, den Juden fürderhin bei derlei falschen An 
schuldigungen jeglichen Schutz angedeihen zu lassen. 
Ganz anderen Sinnes war Ludwigs Nachfolger Philipp II. August 
(1180—1223), dem seine frommen Erzieher schon in der Kindheit 
einzureden verstanden hatten, die über die Juden verbreiteten 
Schauergeschichten seien reinste Wahrheit. Da der neue König zur 
Erweiterung seines Herrschaftsbereiches und zur Zähmung seiner 
Vasallen große Geldsummen benötigte, ließ er gleich nach seiner 
Krönung, an einem Sabattage, alle reichen Juden von Paris in der 
Synagoge verhaften und ihre sämtlichen Kostbarkeiten mit Beschlag 
belegen. Erst nachdem die Verhafteten ein hohes Lösegeld erlegt hat 
ten, wurden sie wieder auf freien Fuß gesetzt. Kurz darauf befreite 
Philipp-August die christlichen Schuldner von ihren Verpflichtungen 
gegenüber jüdischen Gläubigern, und damit nicht genug, verfügte er 
zu Beginn des Jahres 1182 die Ausweisung aller in seinen Kronlanden 
lebenden Juden und die Einziehung ihres ganzen unbeweglichen Be 
sitzes zugunsten des königlichen Schatzes; die Synagogen wurden 
zum Zwecke der Verwandlung in Kirchen dem Klerus überlassen. 
Die aus Paris, Orleans, Bourges und anderen königlichen Städten ver 
triebenen Juden fanden indessen bei den mit dem König im Streite 
liegenden Feudalherren, insbesondere bei dem Landgrafen von Cham 
pagne, freundliche Aufnahme. Schon einige Jahre später jedoch ge 
stattete Philipp-August ganz unverhofft seinen ausgewiesenen jüdi 
schen Untertanen, in ihre früheren Wohnorte zurückzukehren (1198), 
wobei er seine Lehensgrafen zur Auslieferung der unter ihrem Schutz 
lebenden »königlichen Juden« verpflichtete. Hierzu bewog ihn der 
Wunsch, die »produits des juifs«, namentlich die von den jüdischen 
Kreditgebern geleistete Umsatzsteuer, wieder in seine Kasse fließen zu 
sehen. Zur Entschädigung der Grafen verpflichtete er sich seinerseits, 
ihnen »gräfliche Juden« nicht vorzuenthalten. So wurden die Juden 
in Nordfrankreich an scharf umgrenzte Territorien und Erwerbs
	        
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