Volltext: Die europäische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (2 ; 1937)

Periode der Organisierung der europäischen Judenheit bis zu den Kreuzzügen 
gen der Christen beugen müssen, da sie sich geweigert haben, vor 
Christus niederzuknien!« Erst in viel späterer Zeit wurde es den Ju 
den gestattet, sich von dem feierlichen Backenstreich durch die Ent 
richtung einer Sondersteuer zugunsten des Klerus loszukaufen (unten, 
Trotz der neuen Gefahr der Zwangstaufe und trotz schlimmster 
Beschimpfungen vermochten die Juden Südfrankreichs nichtsdesto 
weniger ihre Positionen im Wirtschaftsleben des Landes, im Außen 
handel ebenso wie in der Landwirtschaft, voll zu behaupten. Unter 
Ludwig dem Einfältigen (893—922) wurden allerdings Versuche ge 
macht, das Grundbesitzrecht der Juden zu beschränken; verschiedene 
Urkunden zeugen jedoch davon, daß es im Bezirk von Narbonne 
sogar noch im n. Jahrhundert jüdische Gutsbesitzer, und zwar als 
vollberechtigte »Seigneurs« gab, von Landpächtern und Grundstück 
maklern zu schweigen. In den Städten bewohnten die Juden gewöhn 
lich ein Sonderviertel, so in Narbonne den Vorort Villa Judaica, der 
auf lehenszinsfreiem Grund und Boden gelegen war, und in dessen 
Nähe sich die Salzgruben und Weinberge der wohlhabenderen Ge 
meindemitglieder befanden. Diese Absonderung ging indessen nicht 
auf Zwang zurück, wie in späteren Zeiten, vielmehr war sie die Folge 
des natürlichen Dranges der einzelnen Gemeindemitglieder, in näch 
ster Nachbarschaft miteinander und in engster Fühlung mit ihren 
autonomen Institutionen zu leben. 
Der sich in Frankreich immer stärker entfaltende Feudalismus 
entzog die Juden nach und nach der Obergewalt der Könige, um sie 
der Machthoheit der weltlichen und geistlichen Lehensherren (in den 
Grafschaften der der Grafen, in den Diözesen oder Eparchien der der 
Bischöfe) zu unterstellen. Eine ergiebige Steuerquelle für ihre neuen 
Herren, genossen sie nunmehr deren Schutz, umso mehr als diesen 
kapitalkräftige Juden zuweilen auch Geld vorschossen. Als um 1065 
französische Freischärler, Vorläufer der Kreuzritter, an die spanische 
Grenze zogen, um gegen die Sarazenen zu kämpfen, und auf ihrem 
Zuge die jüdischen Gemeinden auszurotten begannen, stießen sie in 
Narbonne auf den entschiedenen Widerstand des dortigen Vizegra 
fen Berenguard. Aus diesem Anlaß schrieb Papst Alexander II. an 
den Vizegrafen: »Wir fanden Wohlgefallen daran, daß Ihr die in 
Eurer Gewalt lebenden Juden vom Tode errettet habt, denn Gott fin 
det keinen Gefallen am Verderben von Menschen, auch wenn sie böse 
sind.« Waren es doch gerade diese »bösen Menschen«, denen dama-
	        
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