Periode der Organisierung der europäischen Judenheit bis zu den Kreuzzügen
40
und die jüdische Landwirtschaft getroffen werden. Im Zeitalter der
Befestigung der Lehensordnung und der Konzentration des Landbe
sitzes in den Händen des Adels konnte dieser unmöglich dem immer
erfolgreicher werdenden Wettbewerb der Juden gleichgültig Zusehen.
Der im Aufstieg begriffene Landadel war es, der die Auflehnung des
Klerus gegen die kaiserliche Politik nährte, die den jüdischen Ge
werbefleiß in Schutz nahm. Ludwig ließ sich indessen nicht umstim
men und bewahrte den Juden sein Wohlwollen auch dann, als sein
Beichtvater Bodo zum Judentum übertrat, den Namen Eleasar an
nahm, eine Jüdin heiratete und nach Saragossa in Spanien zog (839).
Der fromme Kaiser betrachtete es eben als seine christliche Pflicht,
wie er noch kurz vor seinem Tode in einer Randbemerkung zu einer
drei Juden erteilten Gutsbesitzerlizenz betonte, »zwischen Gläubigen
und Ungläubigen keinen Unterschied zu machen«. Mit umso größe
rem Eifer nützte die Geistlichkeit den Abfall des Bodo, für dessen
Übertritt zum Judentum vor allem der anstößige Lebenswandel ge
rade dieser Geistlichkeit entscheidend gewesen war, dazu aus, um das
Schreckgespenst der jüdischen Gefahr an die Wand zu malen. Die
Folgen sollten sich bald zeigen.
Schon bei Lebzeiten Ludwigs wurde das Reichsgebiet unter seine
Söhne aufgeteilt. Nach dem Vertrag von Verdun (843) erhielt Karl
der Kahle den größten Teil Frankreichs; Italien, Lothringen und ein
Teil des mittleren Frankreich fiel an Lothar; Ludwig der Deutsche
aber wurde zum Herrn Deutschlands. Die immer festere Wurzeln
schlagende Lehens- oder Feudalordnung führte zu einer weiteren De
zentralisation der gesamten Staatsverwaltung innerhalb eines jeden
der drei Reichsteile. Einer bunten Reihenfolge von Königen, Herzo
gen und Grafen stand auf der anderen Seite, einem geschlossenen Heer
vergleichbar, der auf das Wort des römischen Papstes hörende Kle
rus gegenüber, und es war nicht schwer vorauszusehen, welche von
den zwei miteinander rivalisierenden Mächten, die weltliche oder die
kirchliche, für das Los der jüdischen Bevölkerung allmählich bestim
mend werden würde.
Als Karl der Kahle den Beschlüssen der im Jahre 845 in Meaux
(nahe Paris) abgehaltenen Kirchenversammlung, die darauf gedrun
gen hatte, daß alle altüberkommenen antijüdischen Kanons erneut in
Kraft gesetzt werden sollten, seine Sanktion versagte und auch keine
Neigung zeigte, sich von seinem jüdischen Leibarzt Zedekia zu tren
nen, nahm die erzürnte Geistlichkeit ungesäumt den Kampf auf. Ihr
Wortführer war der Jünger und der Nachfolger des Agobard im