Volltext: Die europäische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (2 ; 1937)

Periode der Organisierung der europäischen Judenheit bis zu den Kreuzzügen 
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und die jüdische Landwirtschaft getroffen werden. Im Zeitalter der 
Befestigung der Lehensordnung und der Konzentration des Landbe 
sitzes in den Händen des Adels konnte dieser unmöglich dem immer 
erfolgreicher werdenden Wettbewerb der Juden gleichgültig Zusehen. 
Der im Aufstieg begriffene Landadel war es, der die Auflehnung des 
Klerus gegen die kaiserliche Politik nährte, die den jüdischen Ge 
werbefleiß in Schutz nahm. Ludwig ließ sich indessen nicht umstim 
men und bewahrte den Juden sein Wohlwollen auch dann, als sein 
Beichtvater Bodo zum Judentum übertrat, den Namen Eleasar an 
nahm, eine Jüdin heiratete und nach Saragossa in Spanien zog (839). 
Der fromme Kaiser betrachtete es eben als seine christliche Pflicht, 
wie er noch kurz vor seinem Tode in einer Randbemerkung zu einer 
drei Juden erteilten Gutsbesitzerlizenz betonte, »zwischen Gläubigen 
und Ungläubigen keinen Unterschied zu machen«. Mit umso größe 
rem Eifer nützte die Geistlichkeit den Abfall des Bodo, für dessen 
Übertritt zum Judentum vor allem der anstößige Lebenswandel ge 
rade dieser Geistlichkeit entscheidend gewesen war, dazu aus, um das 
Schreckgespenst der jüdischen Gefahr an die Wand zu malen. Die 
Folgen sollten sich bald zeigen. 
Schon bei Lebzeiten Ludwigs wurde das Reichsgebiet unter seine 
Söhne aufgeteilt. Nach dem Vertrag von Verdun (843) erhielt Karl 
der Kahle den größten Teil Frankreichs; Italien, Lothringen und ein 
Teil des mittleren Frankreich fiel an Lothar; Ludwig der Deutsche 
aber wurde zum Herrn Deutschlands. Die immer festere Wurzeln 
schlagende Lehens- oder Feudalordnung führte zu einer weiteren De 
zentralisation der gesamten Staatsverwaltung innerhalb eines jeden 
der drei Reichsteile. Einer bunten Reihenfolge von Königen, Herzo 
gen und Grafen stand auf der anderen Seite, einem geschlossenen Heer 
vergleichbar, der auf das Wort des römischen Papstes hörende Kle 
rus gegenüber, und es war nicht schwer vorauszusehen, welche von 
den zwei miteinander rivalisierenden Mächten, die weltliche oder die 
kirchliche, für das Los der jüdischen Bevölkerung allmählich bestim 
mend werden würde. 
Als Karl der Kahle den Beschlüssen der im Jahre 845 in Meaux 
(nahe Paris) abgehaltenen Kirchenversammlung, die darauf gedrun 
gen hatte, daß alle altüberkommenen antijüdischen Kanons erneut in 
Kraft gesetzt werden sollten, seine Sanktion versagte und auch keine 
Neigung zeigte, sich von seinem jüdischen Leibarzt Zedekia zu tren 
nen, nahm die erzürnte Geistlichkeit ungesäumt den Kampf auf. Ihr 
Wortführer war der Jünger und der Nachfolger des Agobard im
	        
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