Periode der Organisierung der europäischen Judenheit bis zu den Kreuzzügen
nalen Beziehungen die treibende Kraft des aufstrebenden Welthan
dels. Zeitgenössische arabische Reisende bezeugen, daß jüdische Kauf
leute und Reeder aus den Ländern der Franken häufig Handelsreisen
nach Afrika und Asien zu unternehmen pflegten, zuweilen bis nach
Indien und China vordrangen, neben der fränkischen und spanischen
auch die arabische, griechische, persische und slawische Sprache be
herrschten und so den ganzen Warenaustausch zwischen West und
Ost vermittelten. Auch die in den zeitgenössischen Urkunden übliche
Wendung: »Die jüdischen und sonstigen Kaufleute« zeigt deutlich,
welche hervorragende Stellung die Juden damals im Wirtschaftsleben
einnahmen. Darum zögerte auch Karl der Große nicht, der von ihm
nach Bagdad zum Kalifen Harun al Raschid (Band I, § 65) geschick
ten Gesandtschaft einen Juden namens Isaak zuzuteilen, der wohl als
Sachverständiger für handelspolitische Fragen sowie als Dolmetscher
wichtige Dienste geleistet haben mochte; jedenfalls ist er es gewesen,
der nach der Rückkehr aus dem Morgenlande seinem Herrn zu
Aachen das Geschenk des Kalifen überreichte (um 802).
Karls Nachfolger, sein Sohn Ludwig der Fromme (814—840),
war der erste christliche Monarch, der jüdische Landesbewohner un
ter seine direkte Vormundschaft stellte, indem er Vertretern jüdischer
Gemeinden oder einzelnen bevorzugten Persönlichkeiten besondere
Schutzurkunden verlieh. Damit war der Anfang mit jenem Vor
mundschaftssystem gemacht, das sich überall im mittleren Europa
einbürgern und auf Jahrhunderte hinaus maßgebend bleiben sollte.
Die kaiserlichen Schutzbriefe sicherten den damit bedachten Juden
neben der Freiheit der Religionsübung die Unantastbarkeit von Le
ben, Ehre und Besitz zu, sowie ferner das Recht, ungetaufte Sklaven
zu erwerben und zu veräußern, wobei diese ohne Zustimmung ihrer
Herren nicht getauft werden durften; die Aussagen der Juden vor
Gericht sollten denen der Christen gleichwertig sein; wer sich der
Ermordung eines solchen »Schutzjuden« schuldig machte, hatte sich
vor dem Kaiser zu verantworten; ein eigens dazu bestellter »Magister
der Juden« sollte über die Unverletzlichkeit der ihnen verbrieften
Rechte wachen.
Wiederum war es die Kirche, bei der die judenfreundliche Politik
des Kaisers auf heftigen Widerstand stieß. Um 825 richtete der Erz
bischof von Lyon, Agobard 3 ein Fanatiker mit dem Temperament
eines Johannes Chrisostomus, ein Schreiben an die Hofgeistlichen, in
dem er seiner Gewissensnot Ausdruck gab, die, wie er schrieb, dadurch
verursacht worden sei, daß der »allerchristlichste Kaiser« den Kir
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