Volltext: Die europäische Periode in der Geschichte des jüdischen Volkes (2 ; 1937)

Periode der Organisierung der europäischen Judenheit bis zu den Kreuzzügen 
nalen Beziehungen die treibende Kraft des aufstrebenden Welthan 
dels. Zeitgenössische arabische Reisende bezeugen, daß jüdische Kauf 
leute und Reeder aus den Ländern der Franken häufig Handelsreisen 
nach Afrika und Asien zu unternehmen pflegten, zuweilen bis nach 
Indien und China vordrangen, neben der fränkischen und spanischen 
auch die arabische, griechische, persische und slawische Sprache be 
herrschten und so den ganzen Warenaustausch zwischen West und 
Ost vermittelten. Auch die in den zeitgenössischen Urkunden übliche 
Wendung: »Die jüdischen und sonstigen Kaufleute« zeigt deutlich, 
welche hervorragende Stellung die Juden damals im Wirtschaftsleben 
einnahmen. Darum zögerte auch Karl der Große nicht, der von ihm 
nach Bagdad zum Kalifen Harun al Raschid (Band I, § 65) geschick 
ten Gesandtschaft einen Juden namens Isaak zuzuteilen, der wohl als 
Sachverständiger für handelspolitische Fragen sowie als Dolmetscher 
wichtige Dienste geleistet haben mochte; jedenfalls ist er es gewesen, 
der nach der Rückkehr aus dem Morgenlande seinem Herrn zu 
Aachen das Geschenk des Kalifen überreichte (um 802). 
Karls Nachfolger, sein Sohn Ludwig der Fromme (814—840), 
war der erste christliche Monarch, der jüdische Landesbewohner un 
ter seine direkte Vormundschaft stellte, indem er Vertretern jüdischer 
Gemeinden oder einzelnen bevorzugten Persönlichkeiten besondere 
Schutzurkunden verlieh. Damit war der Anfang mit jenem Vor 
mundschaftssystem gemacht, das sich überall im mittleren Europa 
einbürgern und auf Jahrhunderte hinaus maßgebend bleiben sollte. 
Die kaiserlichen Schutzbriefe sicherten den damit bedachten Juden 
neben der Freiheit der Religionsübung die Unantastbarkeit von Le 
ben, Ehre und Besitz zu, sowie ferner das Recht, ungetaufte Sklaven 
zu erwerben und zu veräußern, wobei diese ohne Zustimmung ihrer 
Herren nicht getauft werden durften; die Aussagen der Juden vor 
Gericht sollten denen der Christen gleichwertig sein; wer sich der 
Ermordung eines solchen »Schutzjuden« schuldig machte, hatte sich 
vor dem Kaiser zu verantworten; ein eigens dazu bestellter »Magister 
der Juden« sollte über die Unverletzlichkeit der ihnen verbrieften 
Rechte wachen. 
Wiederum war es die Kirche, bei der die judenfreundliche Politik 
des Kaisers auf heftigen Widerstand stieß. Um 825 richtete der Erz 
bischof von Lyon, Agobard 3 ein Fanatiker mit dem Temperament 
eines Johannes Chrisostomus, ein Schreiben an die Hofgeistlichen, in 
dem er seiner Gewissensnot Ausdruck gab, die, wie er schrieb, dadurch 
verursacht worden sei, daß der »allerchristlichste Kaiser« den Kir 
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