Volltext: Stephan Rottaler

Der Hof der bischöflichen 
Residenz in Freising □ □ 
Fassen wir noch einmal die architektonischen Motive des Meisters ins Auge, 
wie wir sie vorwiegend an seinen Grabplastiken trafen! Seine reich ausge¬ 
sprochene, überquellende Lust an der neuen Schmuckweise, die ihm das Neben¬ 
sächliche seiner Aufgabe nicht selten fast zur Hauptsache werden läßt, diente 
unserer Untersuchung häufig zur ersten und untrüglichen Spur. Kaum daß er 
ein einziges Grabmal gemeißelt hätte, das solcher Zier entbehrte. Dabei ermüdet 
er nicht durch Wiederholungen, sondern strebt nach lustigem Wechsel. Die 
Flügel des Marolt-Altars wirken fast wie ein Skizzenbuch, nach welchem die 
größeren Arbeiten entstanden. Mehr noch als die flaschenähnlichen Säulen inter¬ 
essieren unter diesen aber die aus allen möglichen phantastischen Blattkelchen 
und gedrehten, gerillten und abgekanteten Einzelkörpern zusammengehäuften 
Stützen. Woher kam dem Meister die Kenntnis dieser Formen? Konnten wir 
für einige der Motive die Autorschaft Albrecht Dürers und Hans Springinklees 
nachweisen und lassen sich die flaschenartigen Säulen am Marolt-Altar, an den 
Epitaphien von Kalbsor und Schaffmannsperger u. a. a. O. auch aus verwandten 
Formen in Dürers Marienleben — Mariä Tempelgang (B. 81) — erklären, so fehlen 
uns für jene merkwürdigen Kompositstützen, wie sie am eigenartigsten die Steine 
in Gerzen und Arnstorf flankieren, alle geeigneten Anhaltspunkte. Für ein einzelnes 
Glied, etwa ein Kapitell, mag man in der zeitgenössischen Bücherillustration, so 
etwa in den Druckerzeugnissen der Offizin Johannes Weyßenburger in Landshut 
oder mehr noch in solchen aus Nürnberger Offizinen, schließlich ein Beispiel finden, 
nicht aber für den ganzen absonderlichen Aufbau, für dieses Aufeinandertürmen 
aller möglichen Motive. Die gewohnte Gliederung einer Stütze in Fuß, Schaft 
und Haupt besteht für ihn so gut wie gar nicht. Was liegt daran, wenn eine 
Basis wie der Kelch eines Kapitells erscheint, aus dem dann der Schaft heraus¬ 
keimt; es freut ihn die neue Form, und sorglos und unbekümmert um statisch¬ 
ästhetische Bedenken phantasiert er sich diese merkwürdigen Stützen zusammen. 
Eine solche reiche und vielgestaltige Verwendung von Architekturgliedern ist der 
Grabplastik der vorhergehenden Stilperiode, die über die dünnen Säulchen und 
Kielbogen nur in den seltensten Fällen hinauskam, fremd, und es mag wohl be¬ 
rechtigt sein, zu behaupten, daß trotz der vorwiegend dekorativen Ausgestaltung 
und Anwendung seiner architektonischen Motive in dem Meister R. etwas von 
einem Baukünstler stak. Ja, an einem Bauwerk Altbayerns aus jener Zeit finden
	        
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