Volltext: Stephan Rottaler

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der Münchener Frauenkirche in der allgemeinen Pose und in der Haltung der 
Arme und Beschäftigung der Hände nahezu übereinstimmen. Einmal handelt es 
sich um den ebenerwähnten Georg.1 In beiden Fällen hält der Ritter pathetisch 
im Siegesbewußtsein in der hocherhobenen Linken die Lanze, in der Rechten 
aber, hier an einer Pranke, dort am Schweife den wilden Wurm. Dieses Motiv, 
wie es variiert auch der Lukas Baumgartner Dürers zeigt, ist der altbayerischen 
Plastik ungewohnt; der Heilige streitet sonst gewöhnlich heiß mit dem Drachen 
oder er ist streng repräsentativ verkörpert. In diesen beiden Fällen aber ist 
der Augenblick unmittelbar nach dem Kampfe festgehalten; es klingt wie ein 
Siegespäan herein. 
Ein korrektes Wechselbild zu dem hl. Georg, in Körperhaltung und in der 
Aktion ist, soweit der Zustand des anderen Predellen-Figürchens ein Urteil zu¬ 
läßt, der hl. Christophorus, der mit der hochgestreckten Rechten sich auf den 
Baumstamm stützt, die Linke aber untätig nach abwärts streckt; energisch 
dreht er den Kopf rückwärts nach dem Kinde. Gewiß steckt in den meisten 
Christophorus-Statuen etwas Typisches, wie es der legendarische Stoff bedingt. 
Aber selten wird man zu dem Figürchen des Marolt-Altars eine so auffallende 
Parallele im Duktus des Oberkörpers, in der fast verrenkten Kopfdrehung und 
in der kontrastierenden Haltung der Arme finden wie in der überlebensgroßen 
Holzfigur des ungeschlachten Heiden über dem Ostportal des nördlichen Seiten¬ 
schiffes der Münchener Frauenkirche.1 2 Eine kunstgeschichtliche Behandlung 
dieser beiden prächtigen Holzfiguren wird nicht umhin können, auch ihr Ver¬ 
hältnis zu den Figürchen des Marolt-Altars in Betracht zu ziehen. 
Aus dem Kreise des Meisters S. R. dürften auch die Holzfiguren eines hl. 
Johannes Baptista und eines hl. Sebastian der Sammlung J. Seligmann in Paris 
stammen.3 In der Behandlung der fliegenden Haupthaare und in dem bewegten 
Gewandstil vertreten sie eine Phase, die wir uns zwischen den Reisbacher Skulp¬ 
turen und den Landshuter Vesperstuhl-Reliefs zu denken haben. Soweit ein Urteil 
nur auf Grund einer Photographie zulässig ist, handelt es sich um Arbeiten, die 
dem hl. Florian der Sammlung Böhler nur wenig nachgeben. Weiter auf sie 
einzugehen dünkt mir ohne Kenntnis der Originale untunlich. 
1 K. D. B. I, 990 u. Taf. 142. 
2 K. D. B. I, 977 Taf. 142. — Riehl, Die Münchener Plastik in der Wende vom Mittelalter zur 
Renaissance in den Abhandlungen der K. B. Akademie der Wissenschaften III. Kl. XXIII. Bd. 
II. Abt. (1904) S. 451. 
3 Gütigen Hinweis und Vermittlung der Photographie verdanke ich Herrn Hofantiquar Julius 
Böhler in München.
	        
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