Volltext: Stephan Rottaler

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Meister aber, dem diese unvergleichlich feine Figur mit den sprechenden seelen¬ 
vollen Zügen und dem hauchenden Munde näher stünde als der Monogrammist 
S. Ii-, wüßte ich nicht zu nennen. 
Die letzten Werke, zumal die beiden Ritter — der Stifter und St. Florian — 
sind von seltener Schönheit und Vollendung. Sie geben uns die Frucht intimen 
Verkehrs mit der Natur in der reifsten und abgeklärtesten Form. Was sie aus 
ihrer Zeit und ihrem Kreise am meisten heraushebt, ist die Ruhe und das Maß in 
der Bewegung, sowie die Schlichtheit der Mittel gegenüber dem fast barocken Pathos 
und Uebermaß ihrer Umgebung. Man stelle einmal die Stifterfigur des Bayerischen 
Nationalmuseums neben die knienden Hochreliefbildnisse der Herzoge Wilhelm 
und Ludwig von Bayern vom Jahre 1532, die von einem Altar der Heiliggeist¬ 
kirche in Landshut gleichfalls in das Bayerische Nationalmuseum kamen. Die 
starke Gesinnung für plastische Formen fehlt ihnen, die malerisch dekorative Art 
ist zu stark betont und das Porträtmäßige erscheint in den derbgeschnittenen 
Gesichtern der herzoglichen Brüder, die wir ja auch noch aus anderen Bildwerken 
genügend kennen, keineswegs mit solcher Ueberzeugung und Glaubhaftigkeit aus¬ 
gesprochen, wie bei dem uns unbekannten Stifter. 
Das Gleichwertigste, was wir dem hl. Florian an die Seite setzen dürfen, 
ist die bekannte prächtige Georgsfigur in der Preysingkapelle der Frauenkirche 
in München.1 Die Differenz der Größenverhältnisse legt einem Vergleiche ge¬ 
wisse Fesseln an, trotz alledem aber wird man einzelne Züge als eng verwandt be¬ 
zeichnen dürfen, wie z. B. den proportionalen Aufbau der Körper und namentlich 
die lebendige Durchmodellierung der schmalen Gesichter mit den flachen Wangen 
und den sprechenden Lippen. Eine wesentliche Gegensätzlichkeit erblicke ich 
jedoch in dem Bewegungsmotiv, das gegenüber dem elastischen Schreiten des 
Georg im Florian auf ein ruhiges Stehen gemäßigt ist. Der Eindruck der Ruhe 
und geradezu klassischen Einfachheit wird im Bilde des hl. Florian noch gesteigert 
durch den offenbar absichtlichen Verzicht auf den flatternden Waffenrock. Man 
wird nach alledem den Florian etwas später vielleicht in die Jahre 1525—1530 
setzen dürfen; in dem hl. Georg erblicke ich die Zeit um 1520.1 2 
Ob diese beiden Statuen sich in einem Meister berühren, erachte ich für eine 
offene Frage; sie wird sich erst dann beantworten lassen, wenn wir die Mün¬ 
chener Figur in ihrer entwicklungsgeschichtlichen Stellung und im Zusammen¬ 
hang mit der Schule ihrer Zeit einmal klar und sachlich beurteilen können. 
Ohne nun eine Beziehung der beiden Figuren zueinander durch das Folgende 
irgendwie zum Ausdruck bringen zu wollen, sei eines eigentümlichen Zusammen¬ 
treffens gedacht. Die Ausladung der Predella des Marolt-Altars wird bekanntlich 
durch die beiden kleinen Figürchen eines hl. Georg und eines hl. Christophorus be¬ 
grenzt. Sie erscheinen in ihrer Anordnung unter den Flügeln und in ihrer Silhouette 
wie Konsolen; der altbayerische Schnitzaltar kennt diese Variation sonst nicht. Da 
mag es um so merkwürdiger anmuten, daß die beiden Figürchen mit zwei Statuen 
1 K. D. B. I, 990 und Tafel 142. — Riehl, Die Münchener Plastik (1904) S. 451. 
2 Vgl. hiezu auch Münchener Jahrbuch der bildenden Kunst 1907 1. Halbjahrsband S. 83 ff. und 
Zeitschrift für bildende Kunst, Jahrgang 1907 S. 158.
	        
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