Volltext: Drama und Theater in Österreich ob der Enns bis zum Jahre 1803

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dimensionibus, die nachweislich einst in den Händen der prote¬ 
stantischen Lehrer in Linz und Steyr gewesen sind.1) 
In Steyr dauerte der Protestantismus trotz allem Gegendrücke 
bis ins dritte Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts fort und eine alte 
Stadtchronik, von dem katholischen Schulmeister Wolfgang Lindner 
geschrieben, meldet wiederholt von dramatischen Aufführungen, 
welche die lutherischen Präceptores im Rathause veranstalteten. 
So spielten sie am 13. Februar 1611 ein polemisch-satirisches Drama, 
in welchem die verschiedenen Stände durch bestimmte Heilige ab¬ 
gekanzelt wurden,2) vielleicht von Mauritius; am 25. Februar 1618 
gab man Josef\ der von seinen Brüdern verkauft wird, in deutscher 
Sprache, wie Lindner eigens hervorhebt; des andern Tages eine 
lateinische Komödie, in der viel von Liebe, Spiel und Zank vor¬ 
kam, also ein höchst pädagogisches Stück. 
Die im Fasching dieses Jahres von den Schülern aufgeführten 
Stücke nennt Lindner „gesalzen“ und „unpassend“. 
Es war eine unerquickliche Zeit und nimmermehr hätte der 
edle Heinrich von Ofterdingen jetzt „Stiure, der bürge guot“ die 
schönen Abschiedswortq zugerufen, die ihm Scheffels „Frau Aventiure“ 
in den Mund legt: 
Fahr wohl, die Hort und Nest mir war, 
Du gute Burg von Steier, 
Gott schenk’ dir noch manch lustsam Jahr, 
Tanz, Schall und Rosenfeier. 
Fahr wohl, duftsüßer Lindengang 
Zur Garstner Klosterpforte, 
Wo ich in erstem Singedrang 
Den Yöglein stahl die Worte! 
In der Stadt des weißen Panthers, wo jetzt konfessioneller 
Hader und der Meistersinger „holdselige“ Kunst die wahre Poesie 
gefangen hielt, lauschte man seit langem nicht mehr dem Yogelsang 
in Gottes freier Natur, sondern auf die Worte von der Kanzel der 
Stadtpfarrkirche, ob sich der katholische Prediger nicht gegen die 
evangelische Freiheit ausließ; in dem duftsüßen Lindengang zur 
Garstener Klosterpforte stahlen keine sangesfrohen Herzen mehr den 
Yöglein ihre Worte, sondern schmähten lutherische Lehrer mit ihren 
Schülern heimkehrende Mönche.3) ] 
x) Einst in der Bibliothek der Kapuziner von Steyr, dann in der Stifts¬ 
bibliothek von Garsten, jetzt im bischöfl. Archiv in Lin%. 
2) Lindner: Neque materia neque scopus rite percipi potuit, erat quoddam 
confusum chaos. 
3) Diese und andere Beispiele von Gehässigkeit der Protestanten, ins¬ 
besondere auch der Jugend, erzählt Lindners Chronik von Steyr. 
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