Volltext: Drama und Theater in Österreich ob der Enns bis zum Jahre 1803

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halb dieses Reiches. Welche Wirkung es ausübte, zeigt u. a. der 
Umstand, daß im Mai 1781 im Linzer Theater sogar ein Ballett, 
das den „Werther“ zum Gegenstände hatte, aufgeführt wurde. 
Es muß als ein merkwürdiger Zufall bezeichnet werden, daß 
gerade Nicolaiy der bekanntlich eine Parodie auf Goethes „Werther“ 
geschrieben hatte, in Linz den Stoff in Ballettform verherrlicht 
sehen mußte.1) 
Voll Grimm berichtet er über diesen neuesten Unfug. 
Einen gewaltigen Schritt nach vorwärts bedeutete für das 
Bühnenleben der Landeshauptstadt die Übernahme der Entreprise 
durch den Grafen Rosenberg, den schon mit der Berufung des Schau¬ 
spielers Borchers zeigte, daß er den höchsten Zielen zustrebe. 
Der neue Direktor des Linzer Theaters, David Borchers, war 
geboren zu Hamburg als Sohn eines dortigen Schiffspredigers. Er 
studierte nach dem Wunsche seines Vaters anfangs Theologie, 
trat aber 1764 zur Ackermanffschen Bühne über, wo er sich als 
Schüler Ekhofs, des „Vaters der deutschen Schauspielkunst“, seine 
ersten Sporen verdiente. 
Sein außerordentliches und vielseitiges Talent, im Bunde mit 
einem blonden Kopfe und lebhaften Mienenspiele, ließ ihn frühe schon 
große Erfolge erreichen. Voll Feuer, Geist und sprudelndem Witze, 
zeichnete er sich besonders in den Rollen aus, in welchen es galt, 
den Ausdrück verbissener Wut darzustellen (vornehmlich durch seine 
schnarrende Aussprache des gutturalen „r“). Sonst war er noch 
stark in Liebhaber- und Heldenrollen, in zärtlichen und komischen 
Alten und Raisonneurs, d. h. also in reflektierten Charakteren. 
Genau auswendig zu lernen liebte er nicht, extemporierte aber dafür 
sehr gut.2) 
Nach dem Urteile der Besten gebührte ihm der Rang nach 
Ekhof und Schröder, den hervorragendsten Schauspielern ihrer Zeit. 
Sein Name würde in erster Linie genannt werden, wenn sein 
außerordentliches Talent durch Studien und sittlichen Halt getragen 
worden wäre.3) 
*) Und als nicht minder merkwürdig mag es erscheinen, daß sich gerade 
dieser Theaterzettel erhalten hat. 
2) F. Schröter-R. Thiele, Lessings Hamburgische Dramaturgie. Halle 1877, 
p. 46 der Einleitung. 
3) Durch seine Streiche hatte er sich in Hamburg und in Wien un¬ 
möglich gemacht. In Linz benützte er seine leitende Stellung zum Engagement 
von lauter Schauspielerinnen, die jung und hübsch sein mußten, damit auch 
er auf seine Kosten kam. (R. Blum, K. Herloßsohn, H. Marggraff, Allgem. 
Theater-Lexikon. I. Bd. Altenburg und Leipzig 1839, p. 354.)
	        
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