V. Geschichte des Linzer Theaters.
Zu allen Zeiten hat das Volk das Bedürfnis nach Zerstreuung
und Unterhaltung empfunden und befriedigt. Eine noch erhaltene
Predigt aus dem 9. Jahrhunderte1) tadelt an den Bewohnern unserer
Gegenden die Sitte, an Sonn- und Festtagen auf gute Mahlzeiten
und schweren Trunk Tänze und ausgelassene Lieder folgen zu
lassen.
Das war freilich zu einer Zeit, da unser Stamm noch halb
heidnisch war.
Aber auch später, als der christliche Glaube allerorten seine
Herrschaft angetreten hatte, wich der Hang zu mitunter recht derben
Lustbarkeiten nicht.
Selbst die Andacht des Herzens würzte sich das Mittelalter
in seiner Weise. Es mochte in den frommen Spielen von der
gnadenreichen Geburt des Heilandes und Jesu bitterem Leiden
ebensowenig heitere Szenen missen, als es auf die Possen der Fast¬
nacht verzichtete.
Dieses Nebeneinander der heterogensten Momente in den Unter¬
haltungen setzt freilich eine Zeit voraus, die noch naiv dachte und
mit allen Sinnen am Äußeren hing. So versteht man, wie die My¬
sterien voll tiefer Glaubensinnigkeit und derbe Bauernspiele das
gleiche dankbare Publikum fanden.
Hatte man auch, wie aus dem Zeugnis für den ludus paschalis
im Stifte Sit. Florian hervorgeht, im 13. Jahrhunderte bei uns alles
Possenhafte aus den kirchlichen Spielen entfernt, beziehungsweise
ihren streng kirchlichen, liturgischen Charakter treu bewahrt, so
*) In einer Handschrift ans dem ehemaligen Augustiner-Chorherrenstifte
Suben, die aber wohl aus Salzburg stammt.
Die betreffenden Worte in der Predigt (De natalitiis martyrum) lauten:
In sacris festivitatibus choros ducendo saltare et cantica luxuriosa et turpia
proferre.