Volltext: Drama und Theater in Österreich ob der Enns bis zum Jahre 1803

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fassen uns selber mit der Aufführung einer Tragödie, und zwar 
einer überaus schönen und vorzüglichen. Unser ganzes Gemeinwesen 
nämlich ist eine Darstellung der besten und edelsten Weise zu leben; 
däs ist aber in der Tat im vollsten Sinne des Wortes und ganz 
eigentlich eine Tragödie. Ihr seid Tragiker und wir sind es gleich¬ 
falls; unsere Aufgabe ist dieselbe wie die eure und wir ringen mit 
euch um den Preis des vollendetsten Dramas. Ein solches kann, 
das ist unsere Überzeugung, nur da zustande kommen, wo die 
wahren und richtigen Grundsätze befolgt werden. Darum denket 
nicht, daß wir euch ohne weiteres erlauben werden, in unserer 
Stadt auf öffentlichem Platze eure Bühne aufzuschlagen und dann 
eure Schauspieler auftreten zu lassen, damit sie mit ihrer klang¬ 
vollen Stimme die unsrige übertönen und vor unseren 
Kindern und unseren Frauen und der gesamten Volks¬ 
menge sich über die nämlichen Fragen ergehen wie wir, 
aber nicht in dem selben Sinne, sehr häufig vielmehr in 
ganz entgegengesetztem. Denn wir müßten ja wahn¬ 
sinnig sein und mit uns die ganze Stadt, wenn ihr frei 
auftreten dürftet, ohne daß vorher der Magistrat in eure Stücke 
Einsicht genommen hätte, um sich ein Urteil bilden zu können, ob 
das, was ihr öffentlich vorzubringen beabsichtigt, verständig und 
passend ist oder nicht. Darum, ihr Kinder der zarten Musen, 
wrollen wir jetzt eure Schöpfungen zunächst unserem Magistrate 
vorlegen und sie dort mit den unsrigen vergleichen; ergibt sich dann, 
daß sie ebenso gut sind wie diese oder auch besser, so möget ihr 
auftreten; andernfalls aber, gute Freunde, könnte davon in keiner 
Weise die Rede sein.« Das wären die Grundsätze, schließt der 
verständige Mann, welche in unserer Gesetzgebung bezüglich des 
Theaterwesens zum Ausdruck zu kommen hätten; seid ihr ein¬ 
verstanden? 
Man wird diesen Gedanken sokratischer Weisheit, in dessen 
Betonung so erlauchte und maßgebende Geister wie Plato und Schiller 
Zusammentreffen, nicht antiquiert finden dürfen und auch ein Wort 
des Tadels hinnehmen müssen, wenn uns auf der Bühne Dinge 
begegnen, die der obersten Aufgabe aller Kunst, die Menschen zu 
veredeln, nicht entsprechen. 
Wir werden uns freilich hüten, immer und alles mit absoluten 
Maßstäben zu beurteilen, und uns bemühen, unverschuldet in den 
Ideen ihrer Zeit befangene Leute als solche zu fassen, sofern nur 
erkennbar ist, daß sie trotz aller Befangenheit den rein menschlichen 
Gedanken in ihren Werken herauszuarbeiten wußten.
	        
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