Volltext: Drama und Theater in Österreich ob der Enns bis zum Jahre 1803

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gewähren. Was aber seinen Stoff angeht, so ist dieser dem mensch¬ 
lichen Leben zu entnehmen: Tatsachen, Begebenheiten, Ereignisse 
aus dem Leben der Menschen bilden den Gegenstand, welchen 
uns die dramatische Kunst vorzuführen hat. 
„Die Tragödie“, heißt es bei Aristoteles, „ist eine Darstellung, 
welche uns nicht Menschen vorführen will, sondern Handlungen 
und das Leben mit seinem Glück und Unglück“.1) 
Dasselbe spricht auch Schiller aus, wenn er in der „Huldigung 
der Künste“ die „Schauspielkunst mit der Doppelmaske“ sagen läßt: 
Ein Janusbild laß ich vor dir erscheinen: 
Die Freude zeigt es hier und hier den Schmerz; 
Die Menschheit wechselt zwischen Lust und Weinen 
Und mit dem Ernste gattet sich der Scherz. 
Mit allen seinen Tiefen, seinen Höhen, 
Roll’ ich das Leben ab vor deinem Blick: 
Hast du das Spiel der großen Welt gesehen, 
So kehrst du reicher in dich selbst zurück; 
Denn wer den Sinn aufs Ganze hält gerichtet, 
Dem ist der Streit in seiner Brust geschlichtet. 
Und in der Tat, wir vermögen uns nicht zu der Lehre zu 
bekennen, daß der einzige Zweck der Kunst sie selbst oder, wie 
Goethe einmal im Vorübergehen gemeint hat, höhere Sinnlichkeit 
sei, sondern sind geneigt, die Schaubühne mit Schiller als moralische 
Anstalt zu betrachten. 
Daß in Hellas, wo das Drama unter der Obhut des Staates 
stand, die Tragödie von jeher im Dienste der Religion und des 
ethischen Lebens arbeitete, leuchtet sogar aus der Definition, die 
der Stagirite von ihr gibt. Es ist aber auch an einen beachtens¬ 
werten Gedanken zu erinnern, den wir im siebenten der Dialoge 
Platos finden. 
Was jene angeht, sagt dort zu seinen zwei Freunden der 
Athener, weiche ernste Begebenheiten darstellen, die Tragiker, 
wie man sie nennt, wenn solche sich an uns wenden und uns 
fragen: »Freunde, ist uns in eure Stadt und euer Land der Zutritt 
gestattet oder nicht? Dürfen wir unsere Theaterstücke mitbringen 
und sie bei euch aufführen? oder wie haltet ihr es in dieser Be¬ 
ziehung?« — was wird für diese guten Leute die rechte Antwort 
sein? Ich denke, wir müssen so sagen: »Liebste Freunde, wir be- 
*) Arist. de arte poet. ed. Buhle cap. 7. vulg. 6. n. 11.
	        
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